http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0404
ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG
LICHTUNG IM GEHÖLZ EINES GUTSPARKES
Tiefenentwicklung zulassen, sind als Grasbahnen
ausgebildet, von Gehölzgruppen kulissenartig
eingefasst, so daß sich der Blick
im Grünen verliert. An einzelnen Stellen
geben Gartenhäuser, Brunnenanlagen u. dergl.
Veranlassung, einen kleinen Teil des Gartens
geometrisch regelmäßig zu behandeln, wobei
in guten Beispielen dieser Gartenspezies kleine,
in sich abgeschlossene Architekturgärtchen
entstehen, bei weniger guten die Wegelinien
und die Beetformen allein geometrische Linien
aufweisen.
Ich glaube mit wenigen Strichen eine Gartenart
gekennzeichnet zu haben, die jeder kennt,
von der man bei jeder größeren Stadt eine
große Anzahl aufzählen kann. Es liegt mir
fern, dieser Gartenart jeden Reiz absprechen
zu wollen. Ich glaube aber nicht, daß dieser
konventionelle Villengarten, wie ich ihn vielleicht
mit Recht bezeichnen darf, sich dauernd
der bisherigen Beliebtheit erfreuen wird, da
wir immer mehr dazu kommen, Freude an
ausdrucksvolleren Gestaltungen zu empfinden,
sowohl was das Formale, als was die Stimmung
betrifft. Dieser bisher so gern gesehene Gartentypus
stellt ein Kompromiß dar von Eleganz
und ländlicher Einfachheit, von dem Ungewollten
, wie es die natürliche Pflanzenzusammenstellung
liebt, und dem in strenge
Formen Gebrachten des Architekturgartens,
von Repräsentation und ländlicher Behaglichkeit
.
Ich glaube, daß zum mindesten neben ihm
andere Formen aufkommen werden, von denen
die eine in sich den architektonischen Hausgarten
und daran anschließend den mit Blumen
verzierten, baulich mit Pergolen, Stützmauern
und Gartenhäusern ausgestatteten
Nutzgarten vereinigen wird, während die andere
mehr die Reize der natürlichen Pflanzenzusammenstellung
bei einfachster Ausstattung
aufweisen wird.
Wir werfen nun einen Blick auf die räumlich
ausgedehnteren Privatgartenanlagen, den
Gutspark und größeren Landsitz.
Hier dürfte die Frage, wie weit die architektonische
Gestaltung möglich und erwünscht
ist, sehr leicht zu entscheiden sein. Der
Obst- und Küchengarten mit den Gewächshausanlagen
und die Frucht- und Blumentreibereien
müssen selbstverständlich geometrisch
sein und können auch Schönheitswerte
durch architektonischen Aufbau enthalten. Die
Umgebung des Hauses wird außerdem umschlossene
Gärten aufweisen, welche mit
dem Haus zusammen Wohnzwecken dienen.
Hier ist Gelegenheit zur schönsten Entfaltung
architektonischer Gartenkunst. Hier kann sie
Stätten von behaglich intimem Charakter
schaffen.
Nun liegt so manches Gut mitten in seinen
Feldern. Die Wege laufen im Gutshof zentral
zusammen, denn der Gutshof mit dem Herrenhaus
ist der Mittelpunkt der ganzen Gegend.
Dieses umschließt wenigstens nach zwei oder
drei Seiten der Gutspark. Er geht vielleicht in
ein Stück Wald über, grenzt anderseits an die
Wiesen und Felder, die von Feldwegen durchschnitten
werden. Sein Hauptschmuck sind
mächtige, alte Bäume, die bald waldähnlich
dicht zusammentreten, sich bald von dem Gehölz
loslösen und ihr weit ausladendes Astwerk
auf dem grasigen Boden ausbreiten. Die Grasflächen
brauchen nicht aus kurz geschorenem
Rasen zu bestehen, sondern sind vielfach mit
Wiesenblumen durchsetzt. Außer breiten Fahrwegen
, führen schmale Pfade durch dichtes
Gebüsch, verlieren sich imWald oder endigen in
Pforten oder Lücken in der Hecke, durch die
man auf das Feld oder die Landstraße gelangt.
Jedes Familienglied hat irgendwo sein Lieblingsplätzchen
. Da fehlt es nicht an dickicht-
umgebenen,grasigen oder moosigenLichtungen,
wel che dieGutsgesellschaft zu lustigem Spiel vereint
, an düstern Wassertümpeln, wie an lauschig
im Gebüsch versteckten Bänken oder an Aussichtspunkten
, von denen der Gutsherr seine
Felder überschauen kann.
374
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0404