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ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG
Ich möchte diesen einfachen Gutspark, der
ungezählte natürliche Reize birgt, nicht vertauscht
wissen mit einem architektonischen
Garten, den die Aecker des Guts umschließen.
Dieser Park erhält gerade dadurch seinen
Hauptwert, daß er, fast ganz sich selbst überlassen
, seine Schönheiten mit zunehmendem
Alter vermehrt und durch die Urwüchsigkeit,
um nicht zu sagen Wildnis, in einen angenehmen
Gegensatz tritt zu der Absichtlichkeit
und Ordnung, welche den Grundbesitz des
tüchtigen Landwirtes auszeichnet.
Freilich, mein Gutspark hat nichts gemein
mit jenen Gärten mit wurmartig gekrümmten
Wegen, mit einer Musterkarte von allen möglichen
Gehölzen, besonders solchen mit gelben,
roten und weißen Blättern, mit Rasenflächen,
welche in kleinlicher Weise Hügel und Täler
zeigen, oder gar mit dem Zubehör schlecht
angebrachter Blumenbeete und geschmackloser
Ausstattungsgegenstände, sondern der Gutspark
soll in seiner Einfachheit, seiner Ruhe
und der Kraft des Ausdruckes dem tüchtigen
Gutsherrn entsprechen, der mit der
Würde des tonangebenden Mannes
die einfache Natürlichkeit des Landwirtes
verbindet.
Je mehr sich das Herrenhaus des
Gutes dem Schlosse nähert, umso-
weniger wird der eben geschilderte
wilde, ländliche Gutspark am Platze
sein. So wird die Allee, welche das
Herrenhaus mit der Landstraße verbindet
, den wohlberechtigten und verständigen
Uebergang aus dem Gutspark
zum Schloßgarten bedeuten;
denn auch hier bestehen ja keine
strengen Grenzen zwischen Herrenhaus
und Schloß, zwischen Landgut
und größerem Herrensitz. So gut
wie der wilde Gutspark zum behäbigen
Wohnhaus eines Landgutes zählt, so
gut kann ich mir einen vornehmen,
architektonischen Garten beim schloßähnlichen
Herrenhaus eines großen
Landsitzes denken, welcher all die
Bestandteile der alten architektonischen
Schloßgärten enthält. Aber
dann bedeutet dieser Garten nicht
den einzigen Luxus des Besitzers;
er liegt nicht gänzlich eingebettet in
die Felder des Gutes, sondern der
Wildpark oder Wald des Landsitzes
schließt sich an, oder ein Städtchen
beeinflußt den Charakter des Gesamtbildes
. Der Gutsbesitz nähert sich
dem Fürstensitz, der die ganze Gegend
beherrscht.
Hier ist der architektonische Schloßgarten
ein Teil eines größeren, künstlerisch behandelten
Geländeabschnittes, der den ganzen
Herrensitz samt dem daranstoßenden Dorfe
oder Städtchen umfaßt. Als Beispiele solcher
größeren, von einem Manne abhängigen
Bezirke nenne ich Muskau und Branitz
bei Kottbus, wo allerdings, dem Zuge der
Zeit entsprechend, die architektonische Gartenkunst
sehr schlecht weggekommen ist,
und die zahlreichen Residenzen 'der großen
und kleinen regierenden Fürsten des 18. und
19. Jahrhunderts.
Hier können architektonische Gartenkunst
und Landschaftskunst wetteifern, die erstere
im Schaffen prächtiger Schloßgärten, die
letztere in der künstlerischen Gestaltung von
Park, Wald und Landweg, und in dem Zusammenziehen
der zahlreichen Landschaftselemente
zu einem einheitlichen, Auge und
Gemüt befriedigenden Ganzen.
(Schluß folgt)
PFAD IN EINEM GUTSPARK
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