Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 393
(PDF, 145 MB)
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NEUE ARBEITEN VON JOHANN VIERTHALER

Der monumentale plastische Ausdruck der
Zeit — ist er von uns schon gefunden
worden? Eine schwere Frage. Der Negationen
sind soviele, das vorwiegende Detail des Tages
stemmt sich dem Streben nach großlinigen
Ausprägungen so gewaltig entgegen, daß man
schier von vornherein an der Möglichkeit einer
neuen Monumentalität verzweifeln möchte. Und
doch handeln die, die nach ihr streben, im Auftrag
der ganzen Menschheit, im Auftrag der
Zeit, die trotz aller „Anarchie der Atome"
niemals auf die große, männliche, synthetische
Selbstdarstellung verzichten kann.

Vielleicht ist die Situation der Plastik heute
ganz ähnlich gelagert wie die der Literatur. Um
das große Drama, das mit ungeheurer Aktivität
alle scheinbaren Gegensätze und Widersprüche
unter die Synthese der Form zwingt, bemühen
sich heute so viele ohne einen klaren, endgültigen
Erfolg. Es ist schier ein Wunder, daß
die Kräfte in diesem an Niederlagen überreichen
Feldzug nicht erschlaffen wollen. Dafür
haben aber andere Dichtungsgattungen, wie die
Lyrik, das Epigramm, die Geschichte und der
künstlerisch pointierte Essay, Leistungen aufzuweisen
, denen nichts Fragmentarisches mehr
anhaftet; wie man sieht, lauter Gebiete, auf
denen die seltene Tugend der Aktivität eine
geringere Rolle spielt als beim Drama, auf denen
mehr die passiven Tugenden der Eindrucksfähigkeit
und einer kräftigen Sinnlichkeit in
Betracht kommen.

Ja, es ist sicherlich kein Zufall, daß mit dem
Aufblühen der modernen Lyrik auch die moderne
Kleinplastik hochgekommen ist. In
ihren Schöpfungen offenbart sich eine achtunggebietende
Gabe der Pointierung, der formalen
Abrundung und des stilistisch bestimmten Ausdruckes
, lauter Vorzüge, die sie mit der Lyrik
unserer Tage teilt.

Im besonderen gelten diese Charakteristika
auch für die Arbeiten Johann Vierthalers,
von denen einige hier abgebildet sind. Liebenswürdig
, sehr gefällig und sehr gediegen — das
sind ihre Vorzüge. Man spürt an den kleinen
Bronzestatuetten die Liebe, mit denen sie erfunden
, durchdacht und gearbeitet wurden, die
freundliche, herzliche Sorgfalt, mit der hier der
jeweilige Formgedanke zur Reife und Rundung
gebracht wurde. Diese Arbeiten sind innerlich
ganz rein und klar, befreit von allen Schlacken,
wohltuend einfach in Linie und Form, reizvoll
vor allem in der Bewegung, deren Hauptmerkmal
ich in ihrer spröden, keuschen Grazie erblicke
. Das gilt in erster Linie für die beiden
ruhenden Figuren, das Kind und das sitzende
Mädchen. Man hat mit Recht gesagt, daß unter
allen bildenden Künsten die Plastik der Musik
am nächsten stehe. Ich möchte diese Beobachtung
erweitern durch die andere, daß das

Dekorative Kunst. XI. 9. Juni 1908.

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