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ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG
JOHANN VIERTHALER-MÜNCHEN « BRONZE: TÄNZERIN
architektonischer Weise verwenden kann und
muß, obgleich die erstere Art hier bei weitem
überwiegen dürfte, so ist dies bei der selbstständigen
Gartenanlage in gleichem Maße mög
lieh. Auch in sich geschlossene, öffentliche
Gartenschöpfungen sind hinsichtlich der Art
ihrer Einrichtung und ihrer künstlerischen
Gestaltung abhängig von ihrer baulichen Umgebung
. Am meisten trifft dies bei der Platzanlage
zu. Da ist schon die Lage der einschließenden
Straßen von Bedeutung, welche
die Grundrißform des Platzes bald rechtwinklig
, bald ganz unregelmäßig gestaltet.
Einige Bäume, wie zufällig auf einer kleineren
unregelmäßigen Platzfläche verteilt, wobei die
Fläche selbst als kiesbedeckter Ruhe- oder
Spielplatz gehalten ist, oder eine Ausfüllung
der Fläche mit Baum und Strauch werden
meist viel besser wirken als eine kleine um-
friedigteGartenanlage, deren Grenzlinien durch
die Umzäunung unangenehm für das Auge
hervorgehoben werden, ganz gleich, ob die
Anlage in freier, malerischer Anordnung oder
im Sinne architektonischer Gartengestaltung
eingerichtet wurde. Andererseits wird einer
jener spitzen Eckplätze, wie sie vor 20 und
30 Jahren in den Bebauungsplänen entstanden,
am besten etwa durch einen Brunnen oder ein
ähnliches Motiv belebt werden. Im Hintergrund
wäre dann wohl ein architektonisch behandelter
Ruhesitz, umgeben von Heckenwerk
und von einigen symmetrisch angeordneten
Bäumen anzubringen. Handelt es sich um
rechteckige Plätze, so wird die architektonische
Ausgestaltung wohl immer vorzuziehen
sein, wobei von Fall zu Fall zu entscheiden
sein wird, ob vornehme Großzügigkeit
herrschen soll, welche der Blumen ent-
raten kann und durch ruhige Flächen und
Massen wirken will, oder wohnliche Behaglichkeit
, welche die Anlage mehr im Sinne
eines gemütlichen Hausgartens zu gestalten
wünscht. Ein Vorplatz vor einem Monumentalbau
oder ein Platz in vornehmster Gegend
, umgeben von Straßenpalästen, wird die
erstere Art der Gestaltung aufweisen müssen.
Die letztere wird für bescheidener gehaltene
Wohnviertel die gegebene sein. Sie wird hier
der meist kinderreichen, ringsum wohnenden
Bevölkerung die Hausgärten ersetzen, welche
in der vorher geschilderten Lage hinter den
einzelnen Häusern liegen. Dieser Platzanlagen
kann es gar nicht genug geben in einer
Stadt, denn sie sind in gesundheitlicher und
erziehlicher Hinsicht außerordentlich wichtig.
Große Spielflächen, behaglich umschlossene
Ruheplätze, schattige Wandelgänge und reicher
Blumenschmuck sollten ihre Hauptbestandteile
sein. Daß sich diese aber gerade in architektonischer
Anordnung am schönsten anordnen
lassen, steht außer Frage. Die Rasenfläche
, auf welcher in lockerer Anordnung
schöne Einzelpflanzen sich erheben, dürfte
schon deshalb hier wenig geeignet sein, weil
sie den praktischen Bedürfnissen zu viel Raum
entzieht.
Richten wir unsere Blicke nun auf die öffentliche
Parkanlage, die unter den Namen Volksgarten
, Stadtpark, Stadtgarten und ähnlichen
in fast allen Städten anzutreffen ist, so wird vielleicht
mancher denken, hier sei die Gestaltungsmöglichkeit
der architektonischen Gartenkunst
am Ende. Und in der Tat hat sich in den
letzten Jahrzehnten fast ein bestimmter Typus
für diese Art städtischer Grünanlagen herausgebildet
. Ich glaube, man kann von einer
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