Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 400
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ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG

anlagen denke, sondern den ganz anders gearteten
Zwecken entsprechende und der viel entwickelteren
Pflanzenkultur Rechnung tragende
Schöpfungen im Auge habe, dürfte kaum zu
erwähnen nötig sein.

Ich könnte noch an manchem Beispiel zeigen
, wie die verschiedenen Zeiten bald die
tektonische, bald die landschaftliche Gestaltungsweise
dem gleichen praktischen Zwecke
dienstbar gemacht haben. Ich nenne den
Friedhof. Die Anlage der Friedhöfe nach
künstlerischen Grundsätzen ist noch nicht alt.
Ursprünglich ein Gräberfeld rings um die
Kirche, ein richtiger Kirchhof und Gottesacker,
hat er in Deutschland als Kunstschöpfung zuerst
landschaftliche Gestaltung erfahren, hie
und da in Verbindung mit architektonischem
Einschlag. Aber auch die Geschichte der
Friedhöfe zeigt eine Wellenbewegung, indem
auf die rein geometrische, frühere Einteilung
zunächst ein möglichstes Vermeiden der geraden
Linie folgte, während heute, wie die
letzten Wettbewerbe und die jüngst entstandenen
Friedhöfe zeigen, die architektonische
Gestaltung wieder mehr bevorzugt wird. Freilich
ähneln diese jüngsten Friedhofsentwürfe
weniger den Plänen jener alten großen Architekturgärten
der Barockzeit, als daß sie sichtlich
die Grundzüge der modernen Stadtpläne
in der Platzbildung, der Straßenversetzung
und der Schaffung möglichst nutzbarer Gräberfelder
verwenden. Der Kirchhof hat die
Wandlung vom Gottesacker zur Totenstadt
durchgemacht.

Ganz ähnlich ist es mit den zoologischen
Gärten gegangen. Ursprünglich sind sie Menagerien
gewesen, in denen jahrmarktartig
Käfig an Käfig, Schranke an Schranke gereiht
war, wobei vorteilhafterweise die geradlinige
Anordnung angewandt
wurde.
Dann erfaßte die
Landschaftsgarten
-Idee auch
die zoologischen
Gärten, sie wurden
Parkanlagen
, wie ich sie
oben alskonven-
tionell bezeichnet
habe, mit
Häusern und
eingefriedigten
Flächen durchsetzt
. Daß diese
Art der Einteilung
recht wenig
Übersicht- PAUL schultze-naumburg

lieh ist, empfand man z. B. in Berlin, und
änderte den dortigen Garten vor einigen
Jahren mehr nach der architektonischen
Seite hin ab. Aber eine endgültige Lösung
, die auf die Dauer befriedigt, scheint
mir auch hier noch nicht gefunden zu sein.
Dieses bunte Gemisch phantastischer Bauten
wird trotz der Füllung der Zwischenräume
mit Bäumen und Gesträuch nicht so zusammengezogen
, daß eine einheitliche Wirkung
erzielt wird. Ich glaube vielmehr, daß auch
hier die Grundsätze des modernen Städtebaues
sowohl hinsichtlich der Führung der
Wege, als auch der Anordnung und Ausstattung
der Häuser mit Glück angewandt werden
könnten.

Nur ein Gebiet gibt es im Bereiche gartenkünstlerischer
Tätigkeit, wo die architektonische
Gestaltungsweise außer Wettbewerb
bleiben muß. Es ist der Schönheitswald in
dem Bannkreis größerer Städte, dessen Zweck
nicht mehr die Holzgewinnung ist, wie im
Wirtschaftsforst, sondern der dem Städter den
Waldesfrieden geben und ihm die Schönheiten
zeigen soll, welche die Natur im Werden und
Vergehen in unerschöpflicher Mannigfaltigkeit
zu schaffen vermag.

Ich habe meine, wenn auch flüchtige Umschau
über das Gebiet gartenkünstlerischen
Schaffens beendet. Ich habe die Möglichkeiten
für architektonische und landschaftliche
Gestaltungsweise festzulegen versucht. Nicht
ein rücksichtsloses Verhimmeln des einen,
Verachten des andern Gartenprinzipes, sondern
die Daseinsberechtigung beider ist das
Ergebnis. Das liebevolle Verständnis für beide
und das souveräne Beherrschen der architektonischen
wie der landschaftlichen Gartenkunst
wird allein schöne, zweckentsprechende
, eindrucksvolle
Schöpfungen
von bleibendem
Werte zu
schaffen vermögen
, welche dadurch
, daß sie
der Eigenart der
Oertlichkeit und
dem Willen des
Schöpfers entsprechen
, trotz
ihres spröden,
weil lebenden
Rohstoffes in gewissem
Sinne
Kunstwerke genannt
werden
Gartenhaus in isserode können.

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