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Radierungen, prächtige, große Blätter sind entstanden
, die das Interesse der Sammler in
hohem Grade für ihn wachriefen. Erwähnt
sei das in Zieglergraphie ausgeführte, prächtig
gelungene Blatt „Sauhandel" vom Jahre
1902, das nicht umsonst auch von staatlichen
Sammlungen erworben wurde. Man darf wohl
von ihm auf diesem Gebiete noch hervorragende
Kunstwerke erwarten. Von seinen
größeren Gemälden (Tempera) befinden sich
die meisten in Privatbesitz. — Nicht minder
tätig und produktiv war er als Illustrator,
hauptsächlich für Verlagswerke des „Kunstwart
". Reizende Vignetten, ein Bauernalphabet
in altdeutscher Art usw. — Besondere Beachtung
aber verdienen seine Exlibris-Blätter,
etwa zehn Stück, ein Stolz für jede Sammlung;
aus ihnen kann man unschwer den Fortschritt
des fleißigen Künstlers verfolgen. Schiestl
spielt in seinen Exlibris-Blättern gerne auf
den Beruf des betreffenden Besitzers an.
So tanzen auf dem originellen Blatt des
Geburtshelfers Dr. Schmid-Bäumler kleine
nackte Knirpse um einen rauhhaarigen Schmied.
Einen mittelalterlichen Kauffahrtei-Zug mit
dem Hintergrunde einer mauerbewehrten
Stadt hat sein weiteres Exlibris für den Kaufmann
Karl Haenert, Halle, zum Vorwurfe.
Komposition und Farbengebung äußerst reizvoll
. Es mögen diese Blätter in ihrer Auffassungsweise
den bahnbrechenden Arbeiten
Sattlers am nächsten kommen; sie werden
durch dezente Farbengebung im Dreifarbendruck
in ihrer Wirkung noch gesteigert. Als
das vom Künstler zuletzt gezeichnete sei jenes
für Georg Mader erwähnt. Anschließend an
den Namen läßt er hier einen bäuerlichen
Mäher (schwäbisch Mahder) mit zwei Sensen
durch die Felder einer Voralpenlandschaft
schreiten; im Vordergrunde schwere Aehren,
ein von Schiestl öfter behandelter Gegenstand
. Das prächtige Blatt ist auch insoferne
bezeichnend für den Besitzer, als es dessen
Vorliebe für Volkskundliches zum sprechenden
Ausdruck bringt. Wir geben
uns der freudigen Hoffnung hin,
daß diese Blätter der Anfang zu
einer Reihe anderer, namentlich
durch die Radiernadel geschaffener
sein mögen. Wir würden seine
Tätigkeit in der Kleinkunst nicht
ganz geschildert haben, würden wir
seiner originellen Postkarten nicht
Erwähnung tun. Auf ihnen tummelt
sich meist auch ein Stück
Volksleben in der launigsten Weise.
Als seine besten dürfen wohl die
für die sogenannte „Bauernkirta",
eines der originellsten akademischen
Faschingsfeste in München,
entworfenen gelten. Drei ländliche
Schöne mit blumigen Schürzen
und gemusterten Kopftücheln fragen
den Beschauer, wie weiland
die berühmten drei Grazien, doch
in ländlich naiver Weise:
„Ob Mariann, ob Katharein —
Wüßt' nicht, wer sollt' die
Schöner sein."
Eine zweite, nicht weniger
humorvolle Karte bringt einen
Urlauber mit seinem „Gspusi" —
er mit dem Strauß am Hut, sie
mit dem weiß getüpfelten Kleid,
gar lebenswahr — darunter der
Vers:
„Wenn ich mit meiner Elsbeth gan,
Was geht denn das die andern an ?"
Eine andere Karte vergegenwärtigt
einen heimkehrenden länd-
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