Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 413
(PDF, 145 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0443
-sr4^> BACKSTEIN ALS BAUMATERIAL <^$**^

Backstein als bodenständiges Material zurückgekommen
. Dieser mußte in einem
Lande, das wie England in seinem Empfinden
durchaus gotisch geblieben ist, höchst willkommen
sein, da es mit der Einfachheit der
Mittel strengste Werklichkeit verbindet.1)
Was die englische Ziegelbautechnik von der
aller andern Länder, namentlich der Deutschlands
, unterscheidet, ist gerade die eigenartige
Auffassung dieses Materials, das durch verschiedene
technische Ausbildung zu einer besonderen
Kraft und Natürlichkeit entwickelt
wurde. Die in Deutschland fast ausschließlich
angewandte Technik der Verblend- und
Formsteine ist in England so gut wie unbekannt
. Man formt nicht wie bei uns den
ungebrannten, sondern den gebrannten Thon;
man bearbeitet den gebrannten Ziegel mit Werkzeugen
ähnlich wie den Haustein, derart, daß
man alle vorspringenden Teile, Profile und Gesimse
, unmittelbar am Bau selbst herstellt.2)
Die Vorteile sind einleuchtend: vor allem wird
das Ursprüngliche, Handwerkliche gewahrt,
das dem fertigen Bau eine gewisse Frische
sichert. Die langweilige Oberflächenglätte
des Verblendsteines wird ersetzt durch eine
körnige, werkmäßige, durchaus natürlich
wirkende Haut, die den Bau von vornherein
als etwas Gewordenes erscheinen läßt. Bei
Anwendung dieser Technik erhält die Backsteinarchitektur
einen monumentalen Charakter
, der ihr sonst in dem Maße nicht aneignet
. Sie gewinnt an künstlerischer Ausdrucksfähigkeit
, wenn der Bildhauer persönlich
dem aus der Mauerfläche um ein genügendes
Stück vortretenden Ziegel plastischen Dekor
aufmeißelt. Je nachdem man dabei die Schnittsteine
mit oder ohne Fugen versetzt, hat man
es in der Hand, durch den Rhythmus ihrer
Linien dekorative Wirkungen zu erzielen.

Steht dergestalt der moderne Ziegelbau Englands
in hoher künstlerischer Blüte, so sind
seine Anregungen merkwürdigerweise in
Deutschland wenig genutzt worden. In Berlin
steht auf dem Kurfürstendamm nahe dem Bahnhof
Halensee ein Haus, dessen Backsteinunterbau
in der erwähnten Schnittsteintechnik
ausgeführt ist. Die Widderköpfe der Pfeiler,
die ornamentalen Glieder und der figürliche
Schmuck der Tierreliefs sind an Ort und Stelle
aus dem Stein gehauen. Dieser erste in kleinem
Maßstab gehaltene Versuch, dessen künstlerische
Wirkung außer Frage steht, ist bisher
ganz vereinzelt geblieben. (Abb. S. 408bis411).

*) s. Muthesiüs a. a. O.

2) Darüber hat Muthesiüs in einem Aufsatz des
„Centralblattes der Bauverwaltung", Jahrgang 1898,
S. 581 ff. ausführliche Angaben gemacht.

Es scheint indessen, als beginne auch bei
uns die Backsteinbaukunst sich aufs neue zu
regen. Die Beispiele dafür mehren sich; aber
sie wird — und das kann nur ein Verdienst sein
— selbständig ihren eigenen Weg gehen, der
sie mählig erst zu neuen Lösungen führt.
Darauf weist ein Bauwerk hin, das in diesen
Tagen der Berliner Architekt Emil Schaudt
in der Jägerstraße errichtet hat: das Haus
„Groß-Berlin". Ueber drei Achsen entwickelt
sich eine Fassade, deren Mittelteil durch einen
auskragenden Erker hervorgehoben wird. In
der Farbe des Steines um eine feine Nuance
dunkler als der Ton der rückliegenden Mauer,
kontrastiert er mit seiner glatten warmen
Oberfläche wirkungsvoll gegen die rauhe Hauptwand
. Diese ist nach oben hin in einen Giebel
von feinster Umrißlinie aufgelöst, dessen mattrote
Farbe mit dem hellen Ton des eingelassenen
Kalksteinreliefs von Wrba einen
harmonischen Akkord bildet. Der vornehme
Gesamteindruck, den der Bau durch die wohlabgewogenen
Verhältnisse seiner Einzelglieder
ausübt, läßt in ihm eine der ersten wahrhaft
künstlerischen Leistungen moderner Backsteinarchitektur
erkennen (vgl. Abbildung S. 407).

NEUE BUCHEINBÄNDE VON
PAUL KERSTEN

F\er Buchbindereinband ist eine Einzelschöpfung.

Der Verlegereinband ist eine Fabrikarbeit. Auf
beiden Gebieten ist die Entwicklung für sich vorgeschritten
. Von England her kamen die neuen Versuche
. Mit Morris beginnt eine neue Kultur des
Buches, und der Name Cobden-Sanderson genügt,
um hier die Vorstellung eines ganz neuen, blühenden
Reichtums zu erwecken.

In Deutschland dauerte es sehr lange, bis die
Erneuerung kam. Doch mußte der Anschluß erfolgen
, nachdem einmal der Mangel an Selbständigkeit
, der zum Kopieren des Alten führte, erkannt
war, wozu Ausstellungen Gelegenheit gaben.

Auf den Luxuseinband verwendet Paul Kersten
seine ganze Mühe und Sorgfalt. Und jeder Band ist
eine Schöpfung für sich, die von dem Können und
dem Geschmack des Verfertigers Zeugnis ablegt.
Das Solide, Handwerkliche ist hier eine erfreuliche
Verbindung mit dem Sinn für die künstlerische
Wirkung eingegangen. Der Handwerker dringt auf
vorzügliches Material, einwandfreie Technik; das
künstlerische Gefühl leitet zum Geschmackvollen
hin. Wie wundervoll stehen solche Flächen dunkelvioletten
, tiefgrünen, schwarzen, hellbraunen Leders
in den herrlichen, in das Material eingegangenen
Farben vor dem Auge! Am besten wirken die Einbände
, bei denen diese Fläche zur Geltung kommt
und gerade durch den sparsamen Schmuck der
Handvergoldung in schön verteilten Ornamenten und
Linien eine fast architektonisch sichere Gliederung
erfährt; wo die feinen Goldlinien sich weich einsenken
in die Schönheit des Materials. Es ist ein
Genuß, solche Bände zur Hand zu nehmen und
das Materialhafte der Schönheit mit jenem eigenen
Gefühl zu spüren, das das Entzücken des Liebhabers
ist (vgl. die Abbildungen S.416). Ernst Schur

413


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0443