Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 427
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-b*4s£> DIE AUSSTELLUNG MÜNCHEN 1908 <^^?=-

julius mössel-münchen wandmalerei im künstlertheater

gesetzt, daß eines sich erfüllt: daß auch das
Publikum das Bessere anerkennt und dementsprechend
kauft.

So entscheidet zuletzt der Konsument. Und
zwar ebensowohl durch seine Kaufkraft wie
durch seine Geschmacksbildung. Nun gehört
aber der Konsument, auf den die verarbeitende
IndustrieDeutschlands sich hauptsächlich stützt,
nicht jener Schicht des Volkes an, welche Vermögen
und verfeinerte Bildung besitzt und
Luxusware kauft. Er gehört vielmehr der
großen Masse an und zwar — und das ist
das entscheidende — bis in die Gegenwart
nicht der Masse unseres Volkes, sondern der
Masse der Vereinigten Staaten, Brasiliens,
Indiens. Wenn ein Fabrikant auf die Frage,
weshalb er so ungeheure Geschmacklosigkeiten
produziere, antwortet: „Das Publikum will es
so", dann denkt er dabei an die Bevölkerung
jener Staaten, die seine Produkte importieren.
So werden die Muster unserer Zeugdrucke
nicht durch den Geschmack des deutschen
Konsumenten bestimmt. Von den hundert Kilometern
billigsten Kattuns, den eine deutsche
Zeugdruckerei täglich mit undenkbaren Mustern
bedruckt, wandern mehr als vier Fünftel nach
England und von dort in die Kolonien. Ebenso
wie die süddeutsche Postkartenindustrie zum
Festhalten am „Jugendstil" nicht etwa durch die
Vorliebe reisender Sachsen hierfür bestimmt
wird, sondern „weil „Jugendstil" in den Vereinigten
Staaten und in Brasilien zurzeit glänzend
geht. Wenn der Deutsche selbst auch Gefallen
daran findet — tant mieux!"

So hängt eine Veredelung unserer Produktion
— und damit ein Sieg der Tendenzen
der Ausstellung München 190S — davon ab,
ob im Laufe der nächsten Jahrzehnte größere
Teile unserer verarbeitenden Industrie den

Export verlassen und sich mehr auf den Markt
der alten Kulturländer, vor allem des eigenen
Landes, stützen können. Vorausgesetzt, daß
dann noch etwas von der alten Kultur zu verspüren
ist und die alten Stämme neue Triebe
hervorbringen können.

Während sich das Erste mit Notwendigkeit
vollziehen wird in dem Maße, in dem Deutschlands
Reichtum und damit die Kaufkraft seiner
Bevölkerung wachsen wird, kann das Zweite
nur durch rastloses Bemühen aller, denen es
ernst um solch große Sache ist, herbeigeführt
werden. Eine Ausstellung, wie sie in München
sich jetzt aufgetan, kann und wird in dieser
Richtung viel Gutes wirken, aber sie ist eben
doch nur eine Ausstellung. Die Schönheit
in der Arena, das Publikum im Kreise. Genügt
es, wenn die Menge staunt, bewundert,
applaudiert? Ach nein, sie sollte mitagieren!
Was hilft es, wenn wir Festräume bauen und
sie dann mit der ganzen Oede offizieller Festlichkeit
erfüllen, wenn wir die Kleidung reformieren
und den Körper vernachlässigen?

Zweifellos wird die Ausstellung München
1908 auch durch das, was ihr aus äußeren
Gründen zur restlosen Erfüllung ihres Pro-
grammes fehlt, was ihr unter den heutigen Verhältnissen
fehlen muß, doch vielfache Anregung
geben. Und dann ist die Münchener
Ausstellung ganz Münchens würdig: dieser
unerschöpflichen Stadt, die seit hundert Jahren
ihreBedeutung im deutschen Kulturleben nicht
nur dem dankt, was sie an Fertigem besitzt,
sondern noch viel mehr den immer neuen
Kräften, die fortwährend ihr entquellen, um
Deutschland zu bereichern, die sie so ganz
als eine Stadt der Werdenden erscheinen lassen.

Günther v. Pechmann

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