http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0458
DIE AUSSTELLUNG ALS KÜNSTLERISCHES GANZES
Die Ausstellungen haben sich überlebt. Die
großen Kosten verzinsen sich schlecht,
oft genug gar nicht. Der ideelle Erfolg steht
meist im umgekehrten Verhältnis zum prahlerischen
Effekt, den die Ausstellung gemacht.
Derartige Urteile hört man fast tagtäglich,
— stillschweigend, um sich bald darauf als
Komiteemitglied für wieder eine neue Ausstellung
zur Aufopferung verpflichten zu lassen.
Da aber Meinungen gar nichts, Tatsachen alles
ausmachen, ist es zwecklos, Notwendigkeit
oder Bedürfnis immer neuer Ausstellungen zu
leugnen.
Es läßt sich nur streiten über die Verzinsung
der Kapitalien und über das Mißverhältnis von
augenblicklichem Ausstellungseffekt und bleibender
, treibender Anregung.
Eine Erörterung über dieses nicht wegzuleugnende
Mißverhältnis von sensationellem
„Effekt" und fruchttreibender Wirkung wird
zunächst feststellen müssen, daß uns „Ausstellungen
machen" und „Effekthascherei"
unzertrennbare Begriffe zu sein scheinen.
Die Geschichte der Ausstellungstechnik
gibt unserer Meinung recht.
Alle Ausstellungsveranstalter von der großen
Weltausstellung im Kristallpalast zu Sydenham
an, im Jahre 1851, arbeiteten auf Effekt hin,
ganz besonders mußte der einzelne Teil, der
einzelne Ausstellungsgegenstand den benachbarten
übertrumpfen. Keine der alten Ausstellungen
läßt sich in ihrer Gesamtheit mit
einer Symphonie vergleichen, sondern nur mit
einem Wettstreit der Klangstärke einzelner Instrumente
und ganzer Kapellen.
Diese Tendenz der Sensation blieb dieselbe
in dem anfänglich allein gültigen Hallensystem
— wie dann im Pavillonsystem.
Nur die Wirkung solch lauter Reizmittel
ging mehr und mehr verloren, um eine allmähliche
Steigerung des Bedürfnisses mehr
künstlerischer Mittel für Schaustellungen zu
zeitigen.
Mit einer der letzten Weltausstellungen von
Paris oder Chicago oder St. Louis verglichen,
fällt uns der Plan der Weltausstellung vom
Jahre 1867 (Paris) als unsagbar roh auf. Da
teilte man einfach die ganze Riesenhalle in
konzentrische Ellipsen. Jede Ellipse und jeder
Sektor diente einer anderen Abteilung - - und
so war selbstverständlich nicht von künstlerischen
Gestaltungsschwierigkeiten die Rede-
nur Raumschwierigkeiten waren von den „Arrangeuren
" zu überwinden.
Allenfalls kann nur das Mittel der Gesichts-
Konzentration der Beschauer auf einen oder
einige Punkte künstlerisch genannt werden.
Und das war meist ebenso naheliegend als
leicht erfüllbar. Die Mitte der Halle wurde
durch besonders auffallende Werke ausgezeichnet
, und mit diesem Punkte wurden gleichzeitig
große Richtungslinien bestimmt.
Erst als man dann verschiedene Bauten für
verschiedene Ausstellungszwecke zu schaffen
anfing, also vom Hallensystem auf das Pavillonsystem
überging, wurde die Gestaltung einer
Ausstellung schwieriger.
Aber wie leicht hat man sich's doch noch
immer mit dem Vielbauten- oder Pavillonsystem
gemacht! — Wie schablonenhaft verfuhr
man mit diesem System bis in das neue
Jahrhundert hinein!
Besonders in zwei Punkten blieb es selbst
bei wundervoll sich präsentierenden Ausstellungen
beim Alten. Statt der konzentrischen
oder strahlenartigen Gänge durch die eine Halle
legte man nun große prachtvolle Ausstellungsstraßen
an. Das Systematisch-
Übersehbare galt also auch dann noch
mehr als rein künstlerische Komposition der
Teile.
Auch die andere alte unkünstlerische Tendenz
, die der gegenseitigen Ueberbietung
nebeneinanderstehender Bauten, wurde bei unseren
jüngsten vielbautigen Kunstausstellungen
nicht ganz verlassen. Früher mußte die eine
Ausstellungskabine die andere im Effekt überbieten
, nun überbot der eine Bau den anderen
durch Form, durch Größe, durch Bauart, vielleicht
gar noch durch Farbe.
Nur wenige kleinere lokale Kunstausstellungen
in Deutschland haben in den letzten
Jahren erst Schritte zu wesentlicher Verbesserung
versucht. Aber wenn man da nichts
mehr wissen wollte vom Vortäuschen üppiger
Marmorpaläste — aus Stuck und Rabitz —
wenn man auch nicht mehr gewaltige Prunk-
und Feststraßen aufführte — bei dem Straßensystem
blieb man trotzdem. Das Pavillonsystem
war bisher nur als Straßensystem
gedacht. Eine Ausstellung, die mit
diesem traditionellen Ausstellungstypus
zum ersten Male bricht, ist die
von München 1 908.
428
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0458