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-s»4^> DIE AUSSTELLUNG ALS KÜNSTLERISCHES GANZES <^=^
Bauschaffen und Städtebauen von unsern alten
traulichsten Städten ohne alle Sentimentalität
— zu lernen vermag, das ist hier ausgezeichnet
dargetan. Allerdings in München ist
die Kette grandioser Vorbilder derartigen Gestaltens
mit Bauschöpfungen Cuvilliers, Ludwigs
I., Max II. — dann Theodor Fischers,
Grassels und Bertschs größer als in anderen
deutschen Städten.
Man beachte, wie durch den zweckgemäßen
Verbindungsgang zwischen Cafe und Halle
ein raumabschließendes Bauglied geschaffen
wurde, das dem so wertvollen ästhetischen
Zweck der Umschließung und Trennung ganz
vorzüglich dient. — Man braucht sich nur
diesen Verbindungsgang wegzudenken, um zu
fühlen, wie wertvoll er für die scheinbare
Erweiterung und Bereicherung des ganzen
Ausstellungsbildes ist.
Aehnliche Wirkung übt auch die Gestaltung
des Bodens und der Beete, übt das Wasserbecken
aus. — Wie wenige nur werden über
so feine verschwiegene künstlerische Mittel
sich Rechenschaft zu geben suchen. Empfinden
werden es alle.
Freilich, wenn unsere
kunstgeschichtliche Betrachtungsweisemehr
vom Lebensgenuß
ausginge, dann würden
wir hier, ohne weiter
darauf hingewiesen zu werden
, empfinden, daß es dieselben
Mittel sind, deren sich
immer größte Künstler beim
Bau von Palästen wie von
Kirchen und Wohnräumen
bedienten. Durch Einschränkung
, nicht durch endlose Erweiterung
des Gesichtsfeldes
schufen sie konstant wirkende
Reizmittel räumlichen
Behagens und Illusionen der
Raumerweiterung. Ja, die
Triumphbögen, die den Chor
vom Schiff der Kirche trennen
, dieGesimseunsererHal-
len und Zimmer haben gleiche
feinsteigernde Wirkung.
Nur auf Ausstellungen
waren uns solch diskrete vornehme
Kunstmittel fremd, da
glaubte man die einzelnen
Bauten uns aufdrängen zu
müssen.
Ueber die einzelnen Bauten
soll hier nur weniges
gesagt werden. Der bewundernswert
straffen und ener- gebr. rank-münchen
gischen Linienführung der Ausstellungshallen
können wir uns nicht enthalten, sofort
unsere ganze Freude zuzuwenden.
Für München, das seit einiger Zeit als fanatische
Freundin der Formen des Barock bekannt
ist, bedeuten diese Gebäude eine ungemein
wohltuende Befreiung von hemmender
Tradition. Das allein schon könnte Wilhelm
Bertschs Namen in Verbindung mit Paul
Pfann für immer in Münchens kunstgeschichtlichen
Annalen berühmt machen. Der Zweckmäßigkeit
entspricht ganz der terrassenförmige
Aufbau des Dachwerkes. Verglichen mit Münchens
altem Glaspalast — dem ersten großen
Bau aus Eisen und Glas auf dem Kontinent —■
ist hier die Sprache des Werkes aus Beton und
Eisen noch reiner, klarer. Möchte doch der
Bau auch in der Stadt Vorbild sein. Möchte
doch auch die Monumentalbaukommission endlich
einsehen, daß es auch in der inneren
Stadt ohne Barock geht.
Der Ansatz der Arkaden ist geschickt, und
die Führung des Giebelfeldes gibt ihnen selbständig
-schmucke Bedeutung.
durchgangshalle
Dekoratire Kunst. XI. 10. Juli 1908 433 55
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