Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 452
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0482
-^3ö> DIE PLASTIK IM AUSSTELLUNGSPARK <^M?-

Was die gesamte Anlage so sehr erfreulich
macht, das sind die Verhältnisse des
Ganzen. Mit einer erstaunlichen Sicherheit
sind die Größenverhältnisse jedes Teils so
getroffen, daß eine ganz reine Harmonie entsteht
, die noch mit den Menschen, die zwischen
den Bäumen wandeln, sowie mit den
Bäumen vollendet zusammenklingt. Es ist
eine vornehme Atmosphäre über das Ganze
ausgebreitet, gleich als ob die Anlage schon
seit langem so stände. Dazu trägt freilich
auch die Plastik ihr Teil bei. Von den
beiden Puttengruppen von Knut Aker-
berg ist die eine entschieden besser als die
andere: diejenige mit dem Kranz ist in der
Haltung des vom Beschauer aus rechten Kindes
ein klein wenig akademisch. Dafür ist aber
die andere Gruppe, mit der Muschel, voll
von jenem sehr zarten poetischen Leben, das
auch andere Schöpfungen Akerbergs erfüllt
, dabei schön im Stein und von einer
ausgezeichneten Abgewogenheit der Komposition
. — Von den beiden Pferden von Georg
Römer darf man sagen, daß sie das Beste
sind, was Römer bisher an großer Kunst geschaffen
hat. Sie sind dekorativ im höchsten
Sinn, dabei aber lebendig und sehr ernst in
der Formengebung, so daß die starke Abweichung
von den natürlichen Proportionen eines
Pferdes nicht nur gar nicht stört, sondern
wie etwas Notwendiges empfunden wird. Daß
man von Römer eine vorzügliche Bronzearbeit
zu erwarten hatte, das wußte jeder: in
der Tat gehören die Pferde in dieser Hinsicht
zum Besten, was in der letzten Zeit gemacht
worden ist. Man beachte die Arbeit
von Mähne und Schweif: da ist alles metallisch
hart, scharf und leicht, nichts von der
Arbeit im weichen Ton ist mehr übrig geblieben
. Es steckt etwas von der Reife alter
Kultur in diesen Pferden.

Die beiden Tiergruppen von Theodor
Georgii ergänzen das übrige aufs glücklichste:
sie sind echte Steinarbeiten, wie auch die
Putten, aber noch geschlossener als diese,
so daß sie von ferne sich ganz in die Architekturanlage
der Bänke einfügen. Darüber
hinaus aber sind die Gruppen von einer köstlichen
Frische der Empfindung, von einer
seltenen Beobachtung des Tierischen und in
der Form so einfach, daß, wie in der Antike,
wirklich nur das Notwendige gegeben ist, dieses
aber mit einer solchen Sicherheit, daß sich
alles übrige daraus ergibt. So ist die ganze
Anlage ein Meisterwerk, zu dessen Besitz
man die Stadt München beglückwünschen darf.

In Theodor Georgii besitzen wir heute
einen Tierbildhauer, neben dem nur noch

Gaul in Berlin in Betracht kommt. Georgii
hat außer den beiden Steingruppen im Figurenhain
noch eine Anzahl von Bronzen im Park
aufgestellt. Leider nur als Ausstellungsgegenstände
, die nach Schluß der Ausstellung
wieder weggenommen werden — denn sie
stehen so schön unter den Bäumen, am Rand
der großen Wiese, daß man meinen könnte,
es müßte so sein.

Die Tiere, ein Hirsch, ein Rehbock und ein
Rehtier, sind alle drei köstlich beobachtet, dabei
in der Form groß und einfach und im
Material schön, so daß man nicht mehr wünschen
mag. Sie sind „dekorativ" im höchsten
Sinn: das Wort nicht gebraucht, um irgend
eine Flüchtigkeit und Unselbständigkeit auszudrücken
, aber es sind Schmuckstücke, die
ihre ganze Umgebung verschönen helfen. —
Wenn man sich für eines der drei Tiere erklären
soll, so scheint mir das weibliche Reh
den Preis zu verdienen; es hat die zarteste
Poesie in sich und dabei die vollendetste Form.

„Dekorativ" in ganz anderm Sinn sind die
Arbeiten von Karl Ebbinghaus; er hat im
Park Kalksteinstatuen der vier Jahreszeiten
aufgestellt, zu denen Karl Sattler die architektonische
Anlage schuf. — Man kann sagen,
daß Ebbinghaus mit dieser Aufgabe sein Eigenstes
gegeben hat: er ist der geborene Gartenplastiker
. Seine Kunst hat ihren Ausgangspunkt
weder in einem sehr intimen und feinen
Verhältnis zur Natur, noch in einer stark innerlichen
Empfindung; sie entspringt vielmehr rein
einem dekorativen Talent: einem starken Sinn
für die „schöne Linie" in der Komposition,
die eine Figur als schön geschlossenes Ornament
auffaßt und dabei zugleich klar in ihrer
Form ausspricht. Seine plastische Formgebung
ist sehr klar und organisch, nicht ohne einen
leisen Anflug von Konvention — wie es eben
da zu gehen pflegt, wo nicht ein starkes Naturgefühl
zur Form führt. Von den „Jahreszeiten"
scheinen uns zwei Figuren „Sommer" und
„Herbst" ganz vorzüglich, der „Frühling" ein
klein wenig manieriert, der „Winter" am wenigsten
glücklich. Die ganze Anlage aber macht
den Eindruck einer richtigen Parkanlage und
ist als solche genommen von einer gewissen
Vollendung. Ebbinghaus ist auch in dieser
Hinsichtder richtigeGartenplastiker: mit einer
erstaunlichen Leichtigkeit und Raschheit wachsen
ihm die Figuren unter den Händen, und
so sind es meistens gleich ganze „Serien", die
er aufstellt: vier Kolossalfiguren von seiner
Hand stehen in dem Festraum der Halle I. Sie
wirken ganz barock, und man darf sie nur
unter dem Gesichtspunkt des Dekorativen ansehen
; dann aber sind sie von starker Wirkung.

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