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•^^> DIE AUSSTELLUNG MÜNCHEN 1908 <^*~
mungHunderle von kostspieligen Villen übertreffen
; daß in dem ländlichen Gasthof mehr
einladende Freundlichkeit, mehr „seelischer
Komfort" zu finden ist, wie in manchem weltberühmten
Savoy-Hotel.
Der ländliche Gasthof kann als typisch für
die in München gegenwärtig herrschende Ar-
chitekturrichtunggelten. Anheimelnd,schlicht
und malerisch in seiner äußeren Erscheinung,
innen praktisch, gediegen und gemütlich, fügt
er sich der süd- und mitteldeutschen Hügellandschaft
, für die er wohl zunächst gedacht
ist, auf das glücklichste ein. Franz Zell war
der Spiritus rector des Ganzen; von ihm rührt
die Anlage, die Grundstücksdisposition, kurz
alles rein Architektonische her. An den Zimmereinrichtungen
im ersten Stock sind mehrere
Künstler beteiligt; um so erfreulicher erscheint
die innere Uebereinstimmung, die alles bindet.
Ebenfalls von Franz Zell stammt das hübsche,
malerische Tanzzelt in der Nähe der großen
Bierwirtschaft.
Die erwähnten Arbeiterhäuser gehen geradezu
an die allerunterste Grenze des Aufwandes,
vermittels dessen eine Familienwohnung unter
eigenem Dache beschafft werden kann. Zwei
Zimmer und eine Küche, letztere freilich zugleich
als Wohnraum benützbar, eine Einrichtung
, die die moderne Wohnungshygiene zwar
perhorresziert, mit der aber als mit einer unausrottbaren
, wohlbegründeten Uebung immer
gerechnet werden muß; dabei sämtliche Nebenräume
wie Keller, Speicher etc. und, als einziger
„Luxusraum", eine bei der Küche gelegene
zementierte Kammer für die Schmutzarbeit
. Die Bodenpreise verlangten die peinlichste
Sparsamkeit in der Raumausnützung;
überall war das eben noch Zulängliche die
Norm. Der Neigungswinkel der Treppe ist so
stumpf wie möglich; ja, sie nimmt oben noch
einen Teil vom Fußboden der Kammer hinweg
, aber das merkt man nicht, da an dieser
Stelle ein sehr breites Bett sich befindet, in
dem nötigenfalls drei kleine Menschen der
Quere nach untergebracht werden können. Der
Spielraum der Türen ist auf den Zentimeter
ausgerechnet. Gelegentlich ragen sie sogar in
eine benachbarte Türe hinein, die im rechten
Winkel dagegen steht; macht nichts, selbst
dann kann diese verengerte Tür noch passiert
werden. Eine eigene Speichertreppe wird durch
eine an der Wand befestigte Leiter erspart,
und so fort, eine Kette unnachsichtlicher Einschränkungen
. Und das Ergebnis? Ein behagliches
Arbeiterheim zu einem Mietpreis
von 18 M. monatlich!
Das ist der Geist unseres heutigen kunstgewerblichen
Strebens, vertreten durch einen
der phantasiereichsten Künstler, die die deutsche
Handwerkskunst ihr Eigen nennt. Und
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