Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 485
(PDF, 145 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0517
HESSISCHE LANDESAUSSTELLUNG
FÜR FREIE UND ANGEWANDTE KUNST DARMSTADT 1908

Man braucht eine der üblichsten und billigsten
Redensarten, wenn man einer Ausstellung
nachrühmt, sie sei „reich an Anregungen
". Das sagt rein garnichts über ihren
positiven Gegenwartswert und verwandelt die
erwartete Abschätzung der Ernte wieder in
eine Vertröstung auf die neue Aussaat, Kein
Mensch aber denkt daran, deren Entwicklung
und Ergebnis zu kontrollieren.

Dazu gäbe ja auch allein Ruhe und Stetigkeit
in dem Zusammenwirken aller an einem
gemeinsamen Werk beteiligten Kräfte die Möglichkeit
. Wo aber gönnte solche Gunst die
stürmende Hast unserer Tage? Trügerisch
war auch die junge Hoffnung, die dereinst von
der Darmstädter Künstlerkolonie den Segen
stillen Wirkens und Ausreifens erhoffte. Nach
dem jugendlich unreifen Versuch der kühnen
ersten Ausstellung, des „Dokumentesdeutscher
Kunst" von 1901, folgte die Auflösung der
Kolonie. Die Künstler schieden unbedenklich
aus dem Ernst-Ludwigshaus auf der Mathildenhöhe
, sobald ein festes Amtauswärts sie lockte.
Schon die kleine Ausstellung vom Jahre 1904
schufen zum größten Teil neue Leute neben
nur zweien vom alten Stamm.

Darnach wäre als geschlossene Leistung der
Kolonie nach ihrer erneuten Wandlung wohl
überhaupt kein Ausstellungswerk mehr zu erwarten
gewesen, so streng gesondert gehen die
einzelnen, gegenwärtig im Ernst-Ludwigshaus
schaffenden Künstler ihren eigenen Wegen und
Zielen nach.

Aber inzwischen ist ringsum im Lande eine
gute Saat aufgegangen, denn den vom Groß-
herzogzu ganz freierTätigkeit berufenen Kräften
sind jetzt andere zur Seite getreten, die sich
heimisch gemacht haben im hessischen Staat.
Damit wird für den besonderen Darmstädter
Fall doch einmal eine Nachwirkung früherer
Ausstellungen bewiesen. Nicht mit dem vielleicht
erwarteten Ergebnis freilich, daß diese
die Art und Richtung der unbeteiligten Künstler
bestimmt hätten. Aber sie haben bei den staatlichen
und privaten Auftraggebern in Hessen
eine künstlerische Gesinnung und ein Wollen
lebendig gemacht, dessen Verdienst und dessen
Wert sich erst erkennen lassen, wenn seinen
Schöpfungen die traurigen Gegenbeispiele aus
den benachbarten Gebieten entgegengestellt
werden. Die Behörden haben sich den moder-
nenForderungen angeschlossen, und sie sind

bemüht, sie in ausgeführten Werken zu erfüllen
. Das hat wiederum zurückgewirkt auf die
Industrie und auf die Handwerker, selbst auf
die Klein- und Einzelbetriebe, auf die Töpfer
und Korbflechter, die Leinweber und Elfenbeinschnitzer
in Hessen.

Die Bedeutung der neuen Darmstädter Ausstellung
liegt darin, daß sie Aufschluß gibt
über diese Dinge. Nicht eine stolze Repräsentation
einer auf lange Entwicklung zurückschauenden
heimischen Kunstpflege und absoluten
Leistungsfähigkeit ist sie, wie das viel
größere Münchner Werk, aber eine zwar nicht
vollkommene, doch befriedigende Antwort auf
die Frage: Welche Frucht hat des jungen kunst-
freundlichenGroßherzogs fördernde Bemühung
um die moderne Sache in ihrer erzieherischen
Absicht gezeitigt, in der Uebertragung auf die
der Kunst und dem Handwerk dienenden Kreise
seines Volkes? Wer den Sinn dieser Frage
nicht mit sich trägt beim Schreiten durch die
Ausstellung, wird ihr nicht gerecht werden
können. Das hat mancher fremde Kritiker
vergessen, der Einheitlichkeit des Stiles und
geschlossenen Eindruck vermißte, wo ihm doch
jede Leistung entgegenrief: Ich will alsZeugnis
eines einzelnen vorwärtswollenden Strebens
verstanden sein.

So wäre denn zur Abwechslung das Urteil
über Darmstadt 1908 einmal der kurz zusammenfassenden
Beschreibung vorangestellt statt
angefügt. Außer acht ist gelassen, was die Abteilung
Freie Kunst an Werken der Malerei und
Plastik bietet, da dessen Würdigung an anderer
Stelle geschehen soll. Die Bilderhalle aber und
der ihr angegliederte hochaufspringende Aussichtsturm
müssen vor den andern Ausstel-
lungsbautenerwähnt werden, dennimGegensatz
zu deren vorübergehender Bedeutung sind sie
feste, für alle Zeiten errichtete Monumentalwerke
Olbrichs, Stiftungen der Stadt Darmstadt
zum Gedächtnis an die Vermählung des
Großherzogs, nicht Geschenke an den Landesherrn
, wie vielfach irrig verbreitet ist. Ueber
die Anlehnung an die Formen assyrisch-babylonischen
Baustils unterrichtet die Abbildung,
und sie läßt auch hervortreten, wie der Erbauer
die Innengliederung des Hauses in der
besonderen Ausbildung der Einzeldächer betont
, wie er die Macht der aufsteigenden Wände
und die Masse des ganzen Komplexes durch
Profilierungen, Portal- und Fensterausschnitte

485


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0517