Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 518
(PDF, 145 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0550
^=ö> KUNSTSCHAU WIEN 1908

leicht zum Theoretisieren verlockt wäre, die
Stufen zu verfolgen, von der freien Malerei,
die in der getreuen Nachbildung der Natur
ihr höchstes Ziel sieht, über die dekorative
zur angewandten Kunst, zu der einer praktischen
Handreichung Untertanen. Mag auch
das Prinzip öfter durchbrochen sein, wenn
etwa in dem Konglomerat der Säle zwischen
köstlichen Sonderräumen eine überfüllte Galerie
den Charakter einer Verkaufshalle angenommen
hat, oder wenn in ihrem Inhalt gegensätzliche
Kabinette hart aneinander stoßen,
die Kategorie des Dekorativen gibt den
Ausschlag. So sehr überwiegt sie, daß alle
naturalistisch-impressionistische Malerei fast
unerträglich, als ein Fremdkörper in dem Organismus
erscheint. Wie das Leben selbst ist
hier das Kunstgewerbe im engeren Sinne mit
einer kaum zu überblickenden Fülle von Varianten
, von Einfällen, von neuen Trieben gesegnet.

Ab Jove principium. Gustav Klimt soll
hier den Beginn machen, doch nicht nur, weil
es in den Ankündigungen der Ausstellung
hieß, sie gehe von der KLiMT-Gruppe aus.
Seine Werke — den sie genießenden Augen ein
Fest sondergleichen — sind Kern und Stern des
ganzen weitläufigen Unternehmens, selbst wenn
man von einigen erlesenen Arbeiten des Kunstgewerbes
absieht. In sechzehn Gemälden erweist
Klimt, daß auf dem einmal bestrittenen
Weg seine Kunst sich immer mehr verfeinert
, unverrückbar das eine Ziel im Auge,
das dekorative Wandgemälde als streng flächen-
haftes Farbenmosaik auszubilden. Schon in
den großen, von den Vernünftlern bekämpften
Visionen dreier wissenschaftlicher Fakultäten,
also seit einem Jahrzehnt, hat sich stufenweise
diese Entwicklung beobachten lassen;
da wurde die impressionistisch körperhafte
Formgebung immer schärfer absetzend zu einer
linearen Komposition, die in der Ebene blieb,
und ein weiteres Symptom war die zunehmende
Verwendung von Gold, das, genau genommen
, nicht zu den Farben des mit dem
Pinsel hantierenden Oelmalers gehört. Die
Anregung kam von den antiken Mosaiken,
von den Miniaturen und anderen archaischen
Kunstwerken. Daß sich Klimt auf das vollkommenste
darin eingelebt hat, zeigt eine subtile
Malerei auf Pergament, die auch mit allen
Reizen der ihm eigenen Ornamentik ausgestattet
ist. Ihr begegnet man übrigens auf
allen seinen figuralen freien Erfindungen und
sogar bei den Porträts. Gewiß ist es Klimt
bei allen Damen, die sich seiner Kunst anvertrauen
, um das gewünschte Konterfei zu
tun; aber darüber hinaus stellt er sich jedesmal
ein neues künstlerisches Problem und

schafft eine rein dekorativ wirkende Tafel,
die sich stets von allen vorhergehenden deutlich
unterscheidet. Die Toiletten geben freilich
den Ausgangspunkt; doch ist eine aus
Spitzen und weißen Falbeln, so komponiert
er das Weiß in Weiß, unerschöpflich an Nü-
ancen, und ist es eine mit schimmernden Pai-
letten und Stickereien, so setzt er ihr Gold
gegen einen goldenen Hintergrund. Könnte
etwas dabei allzu absichtlich erscheinen, wird
es meist unregelmäßig, aber stets mit dem
sichersten Geschmack, für den es keine Rezeptenregel
gibt, durch die ornamentalen Einzelheiten
aufgehoben, die wie eine Einlegearbeit
oder wie Tapeten die auf dem Gemälde
dargestellte Wand schmücken. Derart vollendet
sich der Eindruck eines Mosaiks, in
das der Kopf mit dem opalisierenden Teint
wie aus einem zartesten Material geschnitten
sich einfügt. Mit mehr Freiheit kann Klimt
seine Phantasie, die in Geschmeiden, Farbentändeleien
undauch gewichtigerem Beiwerk
schwelgt, bei den frei gewählten Themen schalten
lassen: da sind die „Drei Alter", der
Profilakt einer Greisin mit unerbittlicher Genauigkeit
, der schmächtige Leib der Mutter
mit zärtlich naturtreuer Glätte, das Kindchen
entzückend lieblich gebildet, — da ist die
wollüstig unter einem Goldhagel in sich verkrampfte
„Danae", da ist das „Liebespaar",
innig und graziös (die Krümmung der Finger
erinnert an Crivelli), und in den „Wasserschlangen
" endlich, zieren und lüsternen Jüng-
ferchen, die sich zwischen Algen und seltsamen
Fischen von der Strömung tragen lassen
, ist das schwimmende Schweben ganz
traumhaft schön. Auffällig ist Klimts neueste
Vorliebe für Wiesenblumen und was im
Bauerngarten an Gewächsen gezogen wird.
Diese derbfarbigen Kelche und Sterne mischt
er jetzt gern in die ornamental gemeinten
Flecke; aber er hat sie auch an und für sich,
an Ort und Stelle, in üppiger Sommerpracht
wuchernd gemalt, und eben diese „Naturausschnitte
" bezeugen, daß Klimt immer wieder
die engste Berührung mit der Natur sucht,
daß er sie nie verloren hat.

Daneben erblassen freilich alle andern Malereien
; man muß, wie schon erwähnt, seine
Augen auf eine andere Betrachtungsweise einstellen
, um ihnen gerecht zu werden. Karl
Moll bewährt durch eine Kollektion neuester
Werke seine Sicherheit und Reife; Interieurs
aus dem eigenen Heim mit schwierigen Be-
leuchtungs- und Farbeproblemen, am kühnsten
aber ein gelber Prunksaal aus dem Finanzministerium
, gelingen ihm ebenso koloristisch
fein wie die Gartenveduten in verschiedenen

518


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0550