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-^^> KUNSTSCHAU WIEN 1908 <^=u^
Emil Orlik wird man in den verschiedensten
Abteilungen der Ausstellung begegnen.
Er meistert ja die Technik einer winzigen
Miniatur nicht minder wie die eines Panneau.
Zwischendrein hält er sich an die rein sachliche
Wiedergabe des Gesehenen oder probiert
die Lackmalerei aus, und der in ihrem
Schaffensdrang unermüdlichen Proteusnatur
erschließen sich immer neue Gebiete, hat er
doch für die Reinhardsche Bühne die Figurinen
zu den Schäferszenen des »Wintermärchens
« ganz köstlich, böhmisch dörper-
haft, beigesteuert und uns das Milieu der
»Räuber« viel urwüchsiger und echter, als es
das hergebrachte Pathos tat, hervorgerufen.
Daß Orlik in den graphischen Kabinetten
nicht fehlt, ist selbstverständlich, mit neuen
Radierungen, in denen er seine Galerie von
Zeitgenossen erweitert (Hermann Bahr und
Karl Frenzel als Repräsentanten zweier
Epochen), und mit Holzschnitten, deren letzte
mit ihren markigen Umrissen und den als un-
schattierte Füllung eingesetzten Farben sich
in ihrer Aufgabe, als Wandschmuck zu dienen,
unzweideutig zu erkennen geben.
Davon zum Innenplakat ist nur ein kurzer
Schritt. Aber die wenigen Beispiele dafür
verschwinden auf der Ausstellung in dem lauten
Chor, der den Plakatkunstraum erfüllt. Da
sind die Wände eng mit Straßenplakaten oder
Entwürfen, die das Aeußerste an Grellheit
leisten, beklebt, ohne Cäsur, ja wie ein langatmiger
Satz ohne verbindende Worte, in dem
ein Schlagwort dem andern unvermittelt folgt.
Plakate sollen sich ja rücksichtslos durchsetzen
können, und so mögen sie denn hier
einander überschreien. Da finden sich neben
närrischen Einfällen streng stilisierte Formeln,
die Anmut steht neben der zynischen Grobheit
, ein klares Bild neben einem Fiebertraum.
Einige der Stürmer und Dränger, die sich hier
austoben, seien genannt: Franz Delavilla,
Hilde Exner, Leopold Forstner, Urban
Janke, Moritz Jung, Rudolf Kalvach, Berta
Kiesewetter, Anton Kling, Wenzel Oswald
, Viktor Schufinsky, Marie von Ucha-
tius, Fritz Zeymer.
Alle diese Namen und andere noch dazu
kehren in der graphischen Abteilung wieder.
Sie gehören durchwegs Schülern der Wiener
Kunstgewerbeschule, deren Rechenschaftsbericht
die Ausstellung enthält. Lehrer für
Graphik ist gegenwärtig Berthold Löffler,
der Nachfolger im Amte von C. O. Czeschka,
den im Vorjahre Wien an Hamburg verloren
hat. Ihrer beider größtes Verdienst ist, daß
sie nicht Schablonenmenschen aufpäppeln, sondern
, wie sie selbst vielseitig und gründlich
vorgebildet sind, zu freier Kunstübung erziehen
. Ueber ihre Tätigkeit als Illustratoren
und Holzschneider, über Buchschmuck u. dergl.
wird gelegentlich ein Mehreres zu sagen sein.
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