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-5-S^> KUNSTSCHAU WIEN 1908 <^-^
aus dem holzfries „improvisierter festzug", entworfen und ausgeführt in
der kunstschule für frauen und mädchen, kurs adolf böhm (vgl. Seite 549) «
Durcharbeitung sicher noch im einzelnen gewinnen
wird, einer Leistung von anerkanntem
Werte, finden sich hier eine famose, bodenständig
empfundene Kirche für das Bergstädtchen
Zinnwald, ein Entwurf für das Bremer
Stadthaus, den mit dem gleichen Fritz Schumachers
zusammenzuhalten äußerst lehrreich
ist, ein Stadtbad für Schneeberg, einige Villen,
Innenräume und Grabmäler. Mehreren dieser
Entwürfe, wie auch einer Anzahl der früher.,
erwähnten, hat die geschickte Hand des Malers
Fritz Beckert zu einer Darstellung verholfen,
die besonders ihrem Zusammenhang mit der
landschaftlichen Umgebung und ihrer farbigen
Eigenart aufs glücklichste gerecht wird. Das
vielumstrittene, als starke Gesamtleistung aber
von allen Einsichtigen jetzt durchaus gewürdigte
Justizgebäude Oskar Kramers und die wunderschöne
Augustusbrücke von Wilhelm Kreis,
die auf den Trümmern ihrer Vorgängerin immer
rascher emporwächst, die neben dem Rathaus
umfangreichsten neueren Monumentalbauten
der sächsischen Hauptstadt, mögen den Reigen
schließen.
Von der handwerklichen Kleinkunst, die
einen intimen Raum neben der großen Halle
erhalten hat, ist im wesentlichen nur zu sagen,
daß auch die Nicht-Künstler, die eigentlichen
Gewerbetreibenden jetzt selbständig im Geiste
der neuen Forderungen zu arbeiten befähigt
sind. Das spürt man an den Werken der
Goldschmiede Heinze und Ehrenlechner,
an den Bucheinbänden von Lohse und Oesterreich
. Daneben verzeichnen wir urkräftige
Keramiken von Feuerriegel und Matthes,
Stickereien von Emmy Hottenroth und Gertrud
Lorenz, Porzellane von Walter und
Bochmann, tauschierte Bronzegeräte von Karl
Gross, schließlich ein dekoratives Wandbild
von Fritz Rentsch. Das hohe Niveau aller
dieser Leistungen überhebt uns der Mühe,
sie einzeln zu beschreiben. Am Ende hat
das kunstgewerbliche Schaffen in Dresden so
oft den vollen Befähigungsnachweis geliefert,
daß es der Binsenanerkennung, seine Erzeugnisse
seien modern, nützlich und geschmackvoll
, nicht mehr bedarf. Darum sei es auch
hier an diesem Katalogauszug genug.
Bis zum Jahre 1912 wird Dresden voraussichtlich
keine Kunstausstellung mehr erleben.
Es darf sich diese Muße gönnen. Daß die
Produktion selbst nicht stockt, dafür sorgt die
Gesamtstimmung der örtlichen Kultur, das
Verständnis von Staat und Kommune, der
Kunstsinn der Privaten, vor allem aber der
quellende Schaffensdrang der Künstler selbst.
Was sie als ihr eigenes, heute von jeder Welle
äußerer Anerkennung getragenes Ideal empfinden
, wird sich durchsetzen, auch ohne daß
man deswegen gegen die Vertreter anderer
Ideale unduldsam zu sein brauchte. Schon
zeigen sich hie und da Ansätze von engherzigem
Doktrinarismus gerade bei denen, die
eben noch die alten Götter gestürzt haben.
Möchte solche Gesinnung in den schönen
Aufschwung nicht hemmend und verwirrend
eingreifen. Nur Gerechtigkeit auch gegenüber
fremdem Schaffen kann den Boden für ein
Wachstum bereiten, dessen Früchte die Gegenwart
überdauern. Erich Haenel
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