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-^4sö> NEUE KUNSTLITERATUR — PERSONAL-NACHRICHTEN <^-c-
direktor Rob. von Haug angekauft
worden. Es handelt sich um jenes
bekannte Werk mit der weit hinein in
das Bild sich erstreckenden Aufstellung
eines Reiterregiments, das schon
in verschiedenen Ausstellungen zu
sehen war, so zuletzt bei Gurlitt in
Berlin, wo das Bild allgemeine Anerkennung
gefunden hat. H. T.
NEUE KUNSTLITERATUR
Leo Putz, ein deutscher
Künstler der Gegenwart. Mit
Text von Wilhelm Michel und 75
ein- und mehrfarbigen Tafeln M. 18.—.
Leipzig, bei Klinkhardt & Biermann.
Es läßt sich darüber streiten, ob
man einem Künstler, der noch nicht
einmal in »des Lebensmittags feierliche
Zeit< eingetreten ist, bereits eine Art Standard-
Work widmen kann. Zu einer solchen Erörterung
bietet aber gerade der vorliegende Fall wenig Veranlassung
, denn Putz, der, obwohl noch nicht einmal
ein Vierziger, seit beinahe 22 Jahren sich der
Kunst schöpferisch ergeben hat und heute zweifellos
zu den Führern der jungen Kunst in Deutschland
gehört, ist uns allen zu teuer, als daß wir die
Notwendigkeit der vorliegenden Publikation in Zweifel
ziehen möchten. Seit uns im Jahre 1906 in der »Modernen
Kunsthandlung« zu Müncheneinewundervolle
Ueberschau über das Werk dieses Künstlers gegeben
wurde (wir sahen etwa 60 Arbeiten seiner Hand),
war an der eminenten Bedeutung, die Leo Putz sowohl
als Schöpfer neuer Farbwerte, wie in noch höherem
Grade durch die eingeborene Melodie und den feinen,
klaren Klang seines künstlerischen Wesens besitzt,
nicht mehr zu zweifeln. Diese Bedeutung wird uns
aufs neue bewußt bei Betrachtung der 75 Tafeln dieses
Werkes, denen leider der Zauber der Farbe fehlt,
die aber dafür das Formgefühl, das in Putz steckt, desto
deutlicher erkennen lassen. Alle vom Künstler gepflegten
Genres treten uns hier in der Reproduktion
entgegen: wir finden Porträte, darunter eines vom
Jahre 1892, das den Vater des Künstlers darstellt,
Stilleben, Biedermeiereien, Rokokodrolerien und besonders
Arbeiten aus jenem Gebiet, das der Künstler
meistert wie kein anderer: schöne, nackte Frauenkörper
. — Den Text des Werkes hat der Münchner
Kunstschriftsteller und Essayist Wilhelm Michel geschrieben
, eine warmherzige Charakteristik des Menschen
und Künstlers Putz, der seinen Interpreten
weniger in den bisher gezeigten >festen Werten«,
als in den »vorantreibenden Kräften« seines Wesens
interessiert, denn Entwicklung war bisher alles bei
dem Künstler, und nur gewisse, unverrückbare Grundlagen
seines künstlerischen und menschlichen Naturells
sind ein Dauerndes, immer Wiederkehrendes
seiner Schöpfungen. Ein Oeuvre-Katalog, der allerdings
auf Vollständigkeit keinen Anspruch macht, ist
dem Text angehängt, späteren Generationen wird er
als statistisches Material willkommen sein.
Bert eis, Kurt. Honore Daumier als Lithograph
. M. 5.— München 1908, R. Piper & Co.
Daumier der Illustrator, nicht Daumier der Maler
von erschütternder Wucht, den man erst vor einem
Jahrzehnt wieder entdeckte, war, um mit seinem
neuesten Interpreten zu sprechen, >ein Geschichtsschreiber
des Gebahrens seiner Zeit«. Man muß also,
wenn man sich mit Daumier beschäftigt, vor allem
seine Zeit kennen und, da Daumier in erster Linie
BILDHAUER PROF. A. HESS
f 11. April 1909
politischer Karikaturist ist, ihre politische
Situation. So hebt denn auch
das Buch von Berteis mit einer Analysierung
dieses »Humus«: an, aus dem
Daumiers Kunst emporwuchs. Sodann
behandelt der Autor »Caricature« und
>Charivari«, die beiden satirischen
Blätter, denen Daumier seine Mitarbeiterschaft
lieh, weiterhin die politischen
Karikaturen selbst, kommt
aber dann doch zur Anschauung, daß
in dem »Problem Daumier« »die Begründung
der bürgerlichen Kunst«
beruhe. »Daumier reißt nicht herunter.
Er kümmert sich nicht um die gelegentliche
Schwäche der Großen, er
erwischt vielmehr die Kleinen, wie
sie sich groß und wichtig vorkommen.
Er mißt also das Kleine am Großen,
nicht umgekehrt. Aber darin liegt
sein Mildes, daß er den Bürger nicht
als verstocktes Scheusal nimmt, sondern als das
Unterholz der Weltgeschichte. Nur in der Politik
ruft er sein höhnisches: Ihr da hinten! — sonst
sagt er milde: ja, ja, wir Aermsten.« In diesem Sinne
sind auch seine »Bürgerbilder«, denen Berteis zusammen
mit der köstlichen »Histoire ancienne« ein
Kapitel widmet, aufzufassen. Ein weiterer Abschnitt
gilt Daumiers Karikaturen zum Sturmjahr 48, ein
besonders interessanter dem Krieg 1870/71. Hier
erhob sich Daumiers Anschauung nicht über die seiner
landsmännischen Zeitgenossen; wie die anderen Franzosen
dachte er über Preußen wie ein alter Marquis
über einen geadelten Gewehrfabrikanten denkt. Die
Blätter zur Geschichte des Krieges, die sich meist
auf der Linie des Symbolismus bewegen, vergleicht
Berteis nicht übel mit Callots »miseres de la guerre«
und mit Goyas »desastres de la guerra« . . . Schon
diese kurze, lückenhafte Uebersicht über den Inhalt
des vorzüglich illustrierten Buches läßt seinen Reichtum
erkennen. Vor einem politisch und kulturell
lebhaft bewegten Hintergrund steht das künstlerisch
illustrierende Schaffen eines starken Bildners, der das
Wesen seiner Zeit zu unvergleichlichem bildmäßigen
Ausdruck bringt.
PERSONAL-NACHRICHTEN
OERLIN. Geheimrat von Tschudi ist von seiner
japanischen Reise zurückgekehrt und hat am
1. April die Leitung der K. Nationalgalerie wieder
übernommen. Die Verhandlungen, ihn als Nachfolger
des amtsmüden Direktors der Bayerischen Zentral-
Gemäldegalerie, Geheimrats von Heber, nach München
zu ziehen, dauern laut den Meldungen noch an.
A/TÜNCHEN. Am 11. April ist hier der Bildhauer
Professor Anton Hess gestorben. 1838 als Sohn
des berühmten Historienmalers Heinrich Heß in
München geboren, bildete er sich dort unter Kaspar
Zumbusch aus; besonders bekannt sind seine großen
Balkonfiguren »Bürgertugenden«; am neuen Münchner
Rathaus; als Schöpfer zahlreicher Grabdenkmäler
und Bildnisbüsten (s. die Abbildung in unserem
Jahrgang 1887/88 Seite 259), die sich durch gute
Charakteristik auszeichnen, hat er sich in weiten
Kreisen einen Namen gemacht. Heß war seit 1875
Professor der Münchner Kunstgewerbeschule, seit
1900 Professor der Plastik an der Münchner Technischen
Hochschule, wo er sich als Lehrer besonderer
Schätzung erfreute.
/GESTORBEN: In Berlin der Bildnismaler Wil-
^-jc helm Fechner im Alter von 74 Jahren.
Redaktionsschluß: 8. April 1909 Ausgabe: 29. April 1909
Herausgeber: F.Schwartz. Für die Redaktion verantwortlich : P. Kirchgraber. — Druck und Verlag von F. Bruckmann A.-G.
Sämtlich in München
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