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ZU DEN PHOTOGRAPHIEN VON FRANK EUGENE SMITH
Das Mißtrauen gegen die sogenannte „künstlerische
Photographie" ist wohl in den
letzten Jahren eher gewachsen als geschwunden
. Und wohl mit Recht. Denn wenn sich
auch auf der einen Seite die Photographie
zu einer sehr bedeutenden Höhe des Geschmacks
erhob und so recht erfreuliche Ergebnisse
zeitigte, so konnte man doch auf
der andern Seite einen oft weit getriebenen
Mißbrauch dieser Technik beobachten, einen
Mißbrauch, der darauf ausging, künstlerische
Wirkungen zu imitieren. Denn um viel mehr
als um eine Imitation kann es sich im Grunde
nicht handeln: dem Kunstwerke ist es eigen,
daß seine Erscheinung das Resultat einer gestaltenden
Phantasie des Menschen ist, der
das Naturbild bewußt aufgenommen und weitergebildet
hat, während die photographische
Platte niemals mehr als den bewußtlosen Reflex
des Erscheinens aufzunehmen imstande
ist. Freilich kann der Mensch auf die Erscheinung
auf der Platte einen großen Einfluß
ausüben: schon bei der Aufnahme, indem
er die Erscheinung nach ihrer Beleuchtung
, Anordnung usw. prüft, und nachher, indem
er Platte und Abdruck verschiedenen
Verfahren unterwirft. Aber das Wesentliche,
der Charakter der Form, bleibt immer rein
reflektorisch.
Am meisten haben sich diese Mängel immer
da gezeigt, wo der Versuch gemacht wurde,
große Naturzusammenhänge wie etwa Landschaften
„künstlerisch" aufzunehmen. Jede
Naturlandschaft, auch wenn sie noch so glücklich
ausgewählt ist, hat eine Menge Einzelheiten
, die das Gesamtbild stören, und die
der Landschaftsmaler weglassen oder verändern
möchte. Wenn nun der Landschaftsphotograph
durch möglichst raffinierte Beleuchtung
und künstliche Mittel eine Erscheinung
herstellt, die einem Gemälde recht ähnlich
sein soll, so wird jedes künstlerisch
empfindliche Auge durch den Widerspruch
beleidigt, der zwischen dieser hergerichteten
Erscheinung und dem ganz unbewältigten Detail
besteht.
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