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bruno paul-berlin herrenzimmer (gebeizte eiche)
AUSFÜHRUNG: VEREINIGTE WERKSTÄTTEN FÜR KUNST IM HANDWERK A.-G., BERLIN
BRUNO PAULS
Auf eigenem Boden, im eigenen Haus sich indi- T-
viduell und künstlerisch einzurichten, ist heute
nur wenigen vergönnt. Denn abgesehen von der
Geldfrage sprechen hier alle die durch die Art unseres
Erwerbs- und Großstadtlebens geschaffenen
Bedingungen mit. Beruf oder andere Pflichten zwingen
zu häufigem Wechsel des Ortes, die allgemein
gesteigerten Ansprüche und das Bewußtsein des
Einzelnen von der Schwierigkeit, im Kampf um Verdienst
und Stellung sich Gesichertes zu erringen,
veranlassen ihn, auf kleiner Basis zu beginnen und
erst ganz allmählich sein Heim auszugestalten und
zu vergrößern. Daher die Berechtigung, ja Notwendigkeit
der Mietwohnung, die Freizügigkeit und
Anpassung an die jeweiligen Verhältnisse ermöglicht.
Solange sie aber für weiteste Kreise diese Notwendigkeit
darstellt, hilft es nichts, sie bloß zu schmähen;
man hat mit ihr zu rechnen, und es stellt daher
vielleicht eine der Hauptaufgaben unserer heutigen
Einrichtungskunst dar, für diese — aus Zwang oder
Wunsch — ihre Bewegungs- und Anpassungsfreiheit
wahren wollenden Menschen den richtigen Hausrat
zu schaffen. Und > richtig« muß hier wohl heißen:
einheitlich und doch wandlungsfähig, schlicht und
neutral und doch so gut nach Form und Geschmack,
daß auch der Feinsinnigere sich damit nicht bloß
praktisch bedient, sondern auch sympathisch umgeben
fühlt; kombinier- und ergänzbar, von solider,
TYPENMÖBEL
schöner Arbeit und gutem Material und zu mäßigen,
dem höheren Bürgerstand im Durchschnitt erreichbaren
Preisen. Als eine schöne Erfüllung solcher
Forderungen kann man die in den »Vereinigten
Werkstätten< hergestelltenTypenmöbel BrunoPauls
betrachten. Sie sind wirklich eine Tat, eine in ihrer
Art vollendete Lösung der Aufgabe. Für fünf Zimmer:
Wohn-, Eß-, Arbeits-, Schlaf-, Kinderzimmer und
Küche können in viererlei Holz: Eiche, Birke, Mahagoni
oder gestrichenem Fichtenholz, die Möbel
geliefert werden, in mannigfachen Varianten und
Zusammenstellungen. Denn das Hauptprinzip dieser
Möbel ist die Zugrundelegung von Maß- und Formeinheiten
, die einerseits die maschinelle Massenherstellung
der Holztafeln und daher die Lieferung
schöner Arbeit und soliden Materials für den angesetzten
Preis gestatten, andrerseits ein Zusammenfügen
zu ungemein wechselnden Gestaltungen innerhalb
des künstlerisch und praktisch fein durchdachten
Formsystems ermöglichen. Z. B. sind alle,
Stollen genau gleich, die Schublade ist eine Einheit
die immer wiederkehrt, aus der heraus sich der
Aufbau der einzelnen Kästen, Kredenzen, Schreibtische
entwickelt; so daß ein Bewunderer der Bruno
paul'schen Typenmöbel mit viel Berechtigung die
Schublade als die >Möbelzelle< bezeichnen konnte.
Man sieht auf unseren Abbildungen Beispiele davon
, wie vielfach und in der Wirkung ganz ver-
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