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ARCHITEKTUR AN DER WASSERKANTE
Hamburg, das Zentrum unterelbischer Kultur
, hat bei der außerordentlichen Arbeitsleistung
, die der Welthandel bedingt, weit
weniger Zeit zur Pflege schöner Künste wie
irgend eine Binnenstadt. Wenn trotzdem in
den letzten Jahren Kunst und Wissenschaft
einen merkbaren Aufschwung genommen haben
, so liegt das viel an der Einsicht leitender
Stellen, wie z. B. der Oberschulbehörde, sowie
an der Initiative und Opferwilligkeit einzelner
Bürger. Millionenstiftungen wie die
der Laeisz'schen Musikhalle und des Vorlesungsgebäudes
von Edmund I. A. Siemers
dürften mit dem Märchen vom „nur materiellen
Sinn der Hamburger" bald aufräumen.
Im allgemeinen Wiedererwachen folgt die
Baukunst nur zögernd neuen Spuren. Der
Sinn des Nordwestdeutschen ist konservativ
durch und durch; die Wirkung einer so jungen
Bewegung ist deshalb langsam aber intensiv.
Verhältnismäßig schnell modernisiert —
im guten Sinne des Wortes — hat sich die
innere Geschäftsstadt, die City. Im hergebrachten
Geleise bewegt sich dagegen immer
noch der Wohnhausbau. Grundriß und Aufriß
sind in der Schablone erstarrt. Erfreulicherweise
wird wenigstens noch das Einzelwohnhaus
bevorzugt. Am Rande des Vierstädtebezirkes
entstanden Siedlungen, von denen
Bilder lebendiger Schönheit zu genießen sind.
Die Blankeneser Höhen, die Walddörfer, die
Haake sind besonders beliebt. Bedauerlicherweise
ist diese Liebe zur Schönheit der Natur
in einem unverständlichen Widerspruch zur
Beschaulichkeit des eigenen Heimes selbst
geblieben, dessen vielfach primitivster Ausdruck
des Bedürfnisses durch das vermittelnde
Grün des Laubes und des Rasens nur
schwer zu verwischen war. Umsomehr zu
begrüßen ist ein frischer gesunder Zug, der
sich endlich nachhaltig Bahn zu brechen verspricht
. Unter den Künstlern, die berufen
sind hier erzieherisch zu wirken, haben sich
die Architekten H. Distel und A. Gru-
bitz, Hamburg, durch die beiden Häuser Eger
und von Moos ein dankenswertes Monument
gesetzt. Beide Häuser stehen benachbart, angelehnt
an den landschaftlich schönen Berghang
der Haake mit einer herrlichen Aussicht
über die Elbe und die Türme der Großstadt.
Das Haus Eger gibt von allen Seiten eine
fein abgewogene und durch die knappen Ausladungendes
Daches klar gezeichneteSilhouette.
Der organische Aufbau aus dem Grundriß,
Dekorative Kunst. XII. 3. Dezember 1908
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