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-5-^> DAS NEUE DEUTSCHE BILDERBUCH <^*~
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ERNST LIEBERMANN-MÜNCHEN FARBIGE ZEICHNUNG ZU „STILLE NACHT, HEILIGE NACHT
AUS „KINDERSANG—HEIMATKLAN G" (VERLAG VON JOSEF SCHOLZ, MAINZ)
Ja, es versteht den Reiz, der darin liegen soll,
gar nicht. Es ist ein Reiz für Erwachsene. Darum
ist es falsch, wenn Dehmel seinen „Fitze-
butze" in der Kindersprache sprechen läßt. Abgesehen
davon, daß es sehr an die sattsam bekannte
Angewohnheit törichter Mütter erinnert,
ist dieserjargon dem Kinde selbst verschlossen.
Es meint, richtig zu sprechen, und wenn es
also nun diese falschen Worte (Tomm statt
Komm) hört oder sogar noch liest, so weiß
es gar nicht, was das sein soll. Es ist derselbe
Fehler, in den die ältere Generation mit
ihrer Moralhaftigkeit verfiel: es wird das Kind
vom Standpunkt des Erwachsenen betrachtet.
Und was will das Kind sehen? Hier ist die
Antwort nicht so einfach. Denn wir befinden uns
hier mitten in der Gegenwartsarbeit, wir untersuchen
, wir probieren noch. Jedenfalls aber
wenden wir uns, wie von dem Inhalt, so auch
von der Illustration im früher üblichen Stil ab
und suchen mehr das Künstlerische zu betonen.
Früher kannten wir nur die I llustration.
Jetzt kennen wir drei Wege, das Kinderbuch
zu schmücken. Den Druck, den Buchschmuck,
das Bild. Das Bild nähert sich am ehesten
der Illustration. Aber hier zeigt sich gerade
der Unterschied. Das Illustrative tritt zurück.
Das Dekorative tritt vor. Es liegt eben die
ganze Entwicklung der modernen Graphik dazwischen
, die wiederum aus der Entwicklung
und Vervollkommnung der Reproduktionstechnik
folgt. Ein ganz neues Künstlergeschlecht
kam auf. Die Technik erzog sie zu ganz neuer
Art. Zuerst brachte diese nur Illustrationen,
bei denen das Künstlerische hinter dem Technischen
zurückblieb; dann aber lernte man,
aus der Technik einen Stil entwickeln: breite
Flächen, lebhafte Farben, charakteristische,
nicht allzu kleine Formen. Das Dekorative
machte sich geltend. Und im Buchschmuck
spann die lebendige Phantasie des Künstlers
den Inhalt weiter und schuf um das Seitenbild
einen lustigen Rahmen. Ja, selbst wo
man sich auf den Druck beschränkte, schuf
man aus Type, Papier, Einband, Vorsatzpapier
eine künstlerische Einheit.
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