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MAXIMILIAN DASIO
l. samberger« maximilian dasio
In seinen Medaillen offenbart Maximilian
Dasio am klarsten sein ganzes künstlerisches
Ingenium.
Dies lateinische Wort müssen wir uns hier
schon gefallen lassen, denn wir haben kein
deutsches, was in einem all das sagt, was es
bedeutet: Gemütsart
und
Geist von Geburt
aus, Herz
also und Charakter
, Erfin-
dungund Fähigkeit
; und all
das wiederum
verstanden wie
Gaben eines
freien, fröhlich
schaffenden
Menschen, Gaben
eines na-
türlichenedlen
Dranges.
Wenn immer
ich in den
Kunstausstellungen und Kunsthandlungen Medaillen
, Plaketten, Anhänger etc. Dasios sah
oder noch lieber in seiner Werkstätte betrachten
durfte, so sah ich in jeder dieser Schöpfungen
nicht nur eine Kleinplastik, sondern
eine Gabe ganz des Malers und Radierers, des
Illustrators Dasio — des Lehrers auch mit
seiner Lust an allem, was frisch und jung und
gesund ist, und sein fröhliches Genießen allen
werkgemäßen Schaffens. Und immer noch etwas
mehr sehe ich in seinen Medaillen, was
mir seinen Schöpfungen eine Bedeutung und
einen Wert gibt, ganz unabhängig von der Form
und der künstlerischen Art.
Ich vermag aber leider nicht, dieses „Mehr"
an künstlerischem Genuß mit wenigen Worten
nur zu umschreiben. Stehe ich doch da selbst
immer wie vor einer Aufgabe und möchte nur
wünschen, daß die nachfolgenden Zeilen, die ich
mehr für jugendliche Genießer, für werdende
Gewerbler, Handwerker und Künstler als für
große Kenner oder gar „Aesthetiker" niederschreibe
, doch wenigstens etwas Klarheit darüber
verschafften, was uns, unserer Zeit gerade
ein Maximilian Dasio und sein Werk bedeuten
könnte und sollte.
Die Mehrzahl von denen, die eine Plakette
Dasios — etwa die auf Theodor Fischer oder
aufFLOSSMANN oderSAMBERGER — neben einer
modernen Plakette der berühmten französischen
Medailleure Roty oder Chapu oder Chaplain
liegen sehen, werden den feinen, eleganten,
zarten Werken der Franzosen zunächst den
Vorzug geben. Zunächst — aber wahrscheinlich
doch nur noch verhältnismäßig kurze Zeit.
Gewiß ist die Freude an jenen Werken französischer
Kleinplastik sehr berechtigt und im
allgemeinen kein schlechtes Zeugnis. Die eben
genannten Franzosen und nach ihnen bekannte
Wiener, Berliner, Münchener und Darmstädter
Bildhauer gaben schonetwaskünstlerisch Wertvolleres
als frühere Medailleure des 19. und
18. Jahrhunderts. Man wird sie immer als
Verfeinerer eines künstlerisch lange verwahrlosten
Gebietes hochschätzen müssen, — aber
immer mehr wird man ihre Gabe als eine nur
äußerliche Verbesserung erkennen und sie
viel geringer bewerten als solche Schöpfungen,
wie wir sie hier von Maximilian Dasio veröffentlichen
.
Jene französischen und Wiener Medailleure
erkannten nicht das Wesen der Medaille, sie
nahmen nicht streng auf den „Stil" der Medaille
Rücksicht, sondern schufen nur höchst
sorgfältig und fein modellierte Reliefs in Ton
oder Wachs, die dann stark verkleinert in edlem
Metall geprägt wurden.
Daß immerhin auch dabei etwas viel Besseres
, etwas künstlerisch ungleich Wertvolleres
herauskam, als bei der Tätigkeit ihrer mit
Recht ganz gering geschätzten Vorgänger im
19. und 18. Jahrhundert, lag nur daran, daß
sie künstlerisch ein Gebiet der plastischen
Darstellung sich zurückeroberten, das langeZeit
hindurch sorglos von Behörden und Privaten
mehr maschinenmäßig arbeitenden, jedenfalls
gefühllos schaffenden Arbeitern überlassen
worden war.
Aber so sehr uns diese feinen französischen
Plaketten, rein empfindungsgemäß durch edle
künstlerische Plastik gefallen, und so sehr wir
solche Werke also auch historisch wie eine Erlösung
von öder Verwahrlosung hochschätzen
müssen, so können sie doch „prägnant" beweisen
, daß selbst bester Künstler Gaben
bestimmter Art noch längst nicht immer eine
wesentli che künstlerischeBereicherung einer
Zeit bedeuten. Es ist nicht immer ein wesent-
licherGewinn, wenn einKünstlerdas zu schaffen
übernimmt, was bisher der Handwerker tat.
Die wesentliche Erneuerung der Medaille danken
wir so tatsächlich nicht jenen, gewiß höchst
geschmackvollen Franzosen, sondern neben
Dekorative Kunst, XII. 9. Juni 1909.
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