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VEREINIGTE DEUTSCHE WERKSTÄTTEN FÜR HANDWERKSKUNST
begnügen sich nicht mit ihrem eigenen Wachstum
, sondern bringen in Fusionen und Ausstellergenossenschaften
das Selbstvertrauen,
den organisatorischen Trieb und die innere
Ungeteiltheit der kunstgewerblichen Neuerungen
schlagend zum Ausdruck.
Mit Stolz können wir die Tatsache verzeichnen
, daß München von Anfang bis heute den
Vorort des jungen Kunstgewerbes bildet, in
künstlerischer wie in geschäftlicher Beziehung.
Hier sind die Begabungen erstarkt, die den
„Vereinigten Werkstätten", den „Werkstätten
für Wohnungseinrichtung" und den „Dresdener
Werkstätten" das künstlerische Material lieferten
, und München ist auch der Sitz der beiden
erstgenannten Firmen. Vor Jahresfrist erfolgte
die Fusion der beiden letzteren Häuser, und
die so entstandenen „Deutschen Werkstätten
für Handwerkskunst" sehen wir nun gemeinsam
mit den „Vereinigten Werkstätten für
Kunst im Handwerk" („Vereinigte Deutsche
Werkstätten für Handwerkskunst") in den
schönen neuen Räumen an der Briennerstraße
ihre Erzeugnisse vorführen. Handelt es sich
dabei auch bloß um eine Ausstellungs- und
Verkaufsgemeinschaft an diesem einen Orte,
so bedeutet doch schon dies eine imponierende
und kluge Kräftezusammenfassung. Es bedeutet
einen Schritt vorwärts auf dem Wege
der Sammlung, der Konsolidierung, ein Weg,
zu dessen früheren Etappen unter anderem
die Gründung des Deutschen Werkbundes
und der Sächsischen Vermittlungsstelle
zählen. Lauter
Anzeichen eines gewaltigen
Organisationsdranges,
der daran ist, das Kunstgewerbe
zu einer industriellen
Großmacht ersten Ranges
zu erheben.
Schön und ideal war der
Impuls, der vor zehn Jahren
zur Gründung der Münchner
„Vereinigten Werkstätten
" geführt hat. Unter den
Gründern findet man fast
alle die Namen wieder, die
heute noch den Stolz des
süddeutschen Kunstgewerbes
ausmachen. Aber das
junge Unternehmen hat
schwere Kämpfe durchgemacht
, bis es zu seinem
heutigen Glanzeemporstieg,
Kämpfe, die paradigmatisch
waren für die Widerstände,
denen das Durchsetzen der
kunstgewerblichen Revolution
überhaupt begegnete.
Besonders das „engere Vaterland
" — um es klar zu
sagen: München -hat damals
ziemliche Kühle an
den Tag gelegt. Fast alle
Aufträge, jedenfalls die repräsentativsten
, kamen von
außen, ein neuer Beweis
dafür, daß es in unserer
guten Stadt zwar keineswegs
an produktiven, aber an rezeptiven
Begabungen mangelt
.
In Parenthese : der Ausdruck
rezeptive Begabung
AD EL BERT NIEMEYER • AUS DEM LADEN D. VEREIN. DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN
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