Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 20. Band.1909
Seite: 453
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-b^> GESCHMACKSVERIRRUNGEN IM KUNSTGEWERBE

BILD 5. PORZELLAN MIT GRIECHISCHE VASENMALEREI NACHAHMENDER VERZIERUNG

Material in der Verzierungsweise eines billigeren
Materials dekoriert, ein ganz offenbarer
Widersinn, den niemand rechtfertigen wird.

Daran schließt sich unmittelbar Bild 6, das
richtig unter den Verzierungsfehlern und zwar
unter den Uebergriffen der Materialien eingereiht
ist, eine Nymphenburger Porzellanschüssel
mit holzartiger Maserung und scheinbar
mit Nägeln an den Ecken aufgehefteten
Kupferstichen. Auch hier ist von eigentlicher
Täuschung nicht die Rede, denn die Porzellanformen
sind im ganzen streng festgehalten,
und die Maserung ist keineswegs realistisch
durchgeführt. Dennoch ist diese Dekorationsweise
verwerflich, weil sie heterogenen Zweckbestimmungen
entspricht und geradezu einen
Gegensatz zwischen dem Material (resp. der
Technik) und der Verzierungsweise darstellt.
Man könnte eine derartige Verzierung allenfalls
als einen kunstgewerblichen Witz bezeichnen
. Aber das Beleidigende dabei liegt-
da ja ein Witz an sich erlaubt ist — darin,
daß ein solches Stück, in kostbarem Material
ausgeführt ist, der flüchtige Witz also für alle
Ewigkeit fixiert bleibt.

Etwas anders müssen in dieser Beziehung
die Attrappen des Konditors oder des Seifenfabrikanten
beurteilt werden, also z. B. ein
Stück Seife in Form eines Apfels, Marzipan
in Form eines blutigen Knochens, Schokolade
in Form einer Zigarre usw. Das sind zwar
keine sehr geschmackvollen Gegenstände, aber
vergängliche Objekte, bei denen man sich
einen solchen Gegensatz als Witz wohl gefallen
läßt. Bekanntlich beruht auch der
Wortwitz fast immer auf dem Zusammentreten
zweier gegensätzlicher, aber durch die
Rede zusammengeschweißter Elemente. Auch

für ihn ist aber die
kurze Dauer eine Bedingung
der Wirkung.

Hiermit berühren
sich dann sehr nahe
die eigentlichen Materialtäuschun
gen
, die von jeher
in der Architektur und
dem Kunstgewerbe
eine große Rolle gespielt
haben, aber darum
vom ästhetischen
Standpunkte nicht weniger
verwerflich sind.
Dabei ist im allgemeinen
die Regel die,
daß das teurere Material
durch das billigere
imitiert wird,
und daß eine neu ausgebildete Fabrikationsweise
in den Formen immer an diejenige anknüpft
, die zeitlich unmittelbar vorhergegangen
ist und durch das Surrogat imitiert werden
soll. So bronziert man z. B. Gips, um
Bronze vorzutäuschen, gibt dem weichen Holz
eine Hartholzmaserung, um den Anschein zu
erwecken, als wäre es Eichenholz, bemalt
und poliert den Stuck, daß er wie bunter
Marmor aussieht usw.

Bild 7 zeigt ein Holztableau mit den verschiedensten
Holzmaserungen und Marmorierungen
, die alle künstlich, d. h. durch Malerei
hergestellt sind. Es ist noch gar nicht lange
her, daß die Kunst der Marmorierung und
Maserung in unseren Gewerbeschulen offiziell
gelehrt wurde, und ich weiß nicht, ob das
nicht vielfach noch jetzt geschieht. Ueber ihre
Verwerflichkeit braucht man kein Wort zu
verlieren.

Die Gruppe auf Bild 8 zeigt Gegenstände,

BILD 6. PORZELLANSCHÜSSEL MIT HOLZARTIGER
MASERUNG UND AUFGEHEFTETEN KUPFERSTICHEN

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