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VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN
VON AUSSTELLUNGEN
UND SAMMLUNGEN
DERLIN. Daß die berühmte Manet-Sammlung des
Herrn Pellerin, die wie bekannt von einem Konsortium
von Kunsthändlern — Cassirer-Berlin, Durand
Ruel-Paris und Bernheim-Paris — für zwei Millionen
Franken angekauft worden ist, nun zuerst in
Deutschland gezeigt wird, verdanken wir dem Geschick
Paul Cassirers, in dessen Räumen wir zurzeit
die Sammlung bewundern können. Pellerin hat es
verstanden, eine ganze Reihe der bedeutendsten
Schöpfungen Manets in seinem Besitz zu vereinigen,
nicht weniger als 24 Oelgemälde nannte er sein eigen,
dazu 11 von den Pastellen, die ein besonderes Kapitel
in Manets Schaffen bedeuten. Der Nachdruck der
Sammlung liegt auf den Werken der späteren Zeit.
Das einzige bedeutende Werk, das vor dem gewöhnlich
um 1870 angesetzten Stilwandel, dem Uebergang
zum Farbigen und zum eigentlichen Impressionismus
liegt, ist das > Frühstück im Atelier< mit dem
Bildnis von Manets Schwager Leenhoff, das aus dem
Jahre 1869 stammt und in seiner vornehmen Tonschönheit
, seiner hohen malerischen Qualität neben
keinem Vermeer zurücksteht. Das berühmte > Bildnis
des Kupferstechers Desboutin« schließt sich an, ob-
IRVING R. WILES
Ausstellung amerikanischer Kunst in Berlin
wohl 1875 gemalt, doch ganz in der braunen Skala.
Es ist ein Atelierbild. Und der Unterschied zwischen
Atelier- und Freilichtbild ist in der Frühzeit des Impressionismus
tiefgehender, als er es heute ist, wo die
Skala des Pleinair schon in die allgemeine Sehgewohnheit
übergegangen ist. Drei Landschaftsbilder
des Jahres 1874 bezeichnen den Uebergang zum Freilicht
und zur Farbigkeit. Es ist wohl kein Zufall, daß
zweimal Claude Monet dargestellt ist, einmal in der
Barke, die ihm als Atelier diente, das andere Mal
mit seiner Familie im Garten, denn der ehemalige
Jünger hat in diesen Jahren offenkundig rückwirkend
den Meister beeinflußt. Der zweiten Hälfte der Siebziger
Jahre gehört eine ganze Reihe von Hauptbildern
der Sammlung an, vor allem die >Nana«, als Bildkomposition
vielleicht das vollendetste von allen,
prachtvoll in der vornehmen Farbigkeit, das sehr
frische Bild >Im Cafe«, das etwas mattere »Skating«,
das Stilleben mit der Brioche, das Selbstbildnis und
eine Reihe anderer Porträts, dem Jahre 1880 die
>Modistin< mit dem herrlichen Email der klaren
Farben und die >Dame in Rosa«, die rein malerisch
vielleicht die höchste Leistung darstellt. Wie mit
einem Nichts an Modellierung das Gesicht, der Hals,
die Brust geformt sind, wie mit unnachahmlicher
Sicherheit in die helle Fläche des Gesichtes der
rote Mund hineingesetzt ist, wie von dem Rosa des
Kleides der wahrhaft Leben atmende
Ton des Fleisches losgeht
, das ist Meisterleistung
eines ganz großen Künstlers.
Die Pastellbilder, meist Frauenporträts
, schließen sich an, auch
sie zielen auf eine eigene Schönheit
— man möchte sagen des
Teints der Frauenhaut, deren
Geheimnis in der Modellierung
mit kaum einem Hauch von
Schatten beruht. Das Ende von
Manets malerischer Tätigkeit
bezeichnet das große Bild der
»Bar in den Folies Bergeres«
von 1882. Kompositioneil ähnelt
essehr dem Frühstück von 1869.
Es ist die Anordnung, die Manet
immer liebt, mit einer Halbfigur
vornan, von der auses ihm nicht
stets gleichgut gelingt, dieTiefe
zu gewinnen. Hier ist das Problem
nochmals kompliziert, indem
ein Spiegel rückwärts die
ganze Breite des Bildes einnimmt
und eine vorn zu denkende
Tiefenansicht nur reflektiert
. Eine reine Lösung dieser
Aufgabe gehört zu den Unmöglichkeiten
. Auch Manet gelingt
es nicht, überzeugend klar den
gewollten Eindruck zu geben.
Aber in seinen vorderen Schichten
, dem Mädchen, den ganzen
Stilleben von Flaschen und
Früchten auf dem Tische, gehört
das Bild zu seinen besten
Leistungen. Unbegreiflich bleibt
es, daß ein Mann, dem es gelungen
war, diese Meisterwerke
in seinem Besitz zu vereinigen,
sich freiwillig von ihnen trennt.
—■ Es ist zu hoffen, — und es
!
EINE GEMÜTLICHE ECKE
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