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VON AUSSTELLUNGEN PERSONAL-NACHRICHTEN
I ein Kopf,' eine Gestalt, ein Stilleben, gleichviel -
\K Püttners Wille und Absicht ist, hinter die räumliche
, lineare und koloristische Struktur der Dinge
I zu kommen. Die Art, wie er sie auf die Leinwand
i setzt, ist nicht eben zart und einschmeichelnd.
A Püttners Malweise stellt die äußerste Konsequenz
y der Entwicklungsreihe: Diez—Leibi—Trübner dar. . .
I Eine überraschend reiche und qualitätvolle Aus-
| Stellung Püttnerscher Gemälde und Studien in
Brakls ,,Moderner Kunsthandlung" gibt Gelegen-
,Q heit, diese schon zur Formel gewordene Definition
Y von Püttners Kunst nachzuprüfen und vor ausge-
1 zeichneten Einzelwerken bestätigt zu finden. Gegen
I frühere Werke (z. B. den „Frühschoppen", „Vor der
I Abreise", die erste „Schneiderstube", „Die Musi-
•Y« kanten") gehalten, sind Püttners neue Arbeiten farbig
Y bedeutend aufgehellt, es ist mehr Licht und Lebens-
I freude in ihnen als in den früheren — und das un-
I beschadet ihres sachlichen Ernstes, ihrer stämmigen
A Kraft. Malerisch am reizvollsten ist das weiße
0 Interieur, das ein eminentes Raumgefühl dokumen-
1 tiert, und das durch die Macht neugestaltender Nach-
I Schöpfung einen unsäglich geschmacklosen Vorwurf
zum vollendeten Kunstwerk umwertet. Von starker
M Wirkung ist das Selbstporträt — der Kopf ist von
Y einer Wucht, als hätten ihn nicht Pinselhiebe auf
1 die Leinwand gesetzt, sondern ein Bildhauer aus dem
I Stein herausgeschlagen. Im übrigen überwiegen die
Jf Innenräume und unter ihnen die mit pikant gemal-
I ALBERT karl ANGST ERSTE FREUDEN
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ten Stilleben, die an farbiger Intensität hinter denen
Cezannes, an vornehmer Tonwirkung hinter denen
Schuchs nicht zurückstehen. Geht Püttner einmal
vor die Natur, tritt er ins Licht, so entstehen für
seine Kunst neue Probleme. Denn seine etwas
schwere Art, zu malen, ist namentlich der Luft und
dem Horizont gegenüber nicht ganz unbefangen und
nicht ohne einige Gewaltsamkeiten. Exquisit ist sein
Grün — es erinnert mich in seinem vollen, saftigen
Klang an Courbets Juralandschaften. . . Alles in
allem: hier steht ein prächtiger Künstler, einer,
der nicht nur die besten Werte der Vergangenheit
in sich sammelt und damit schaltet und waltet, sondern
der die schon vorhandenen, von der Tradition
übernommenen Kunstwerte weiterbildet und aus
Eigenem zur Veredelung der künstlerischen Kultur
beizutragen hat. g.j.w.
VÜRICH. Der Holländer Jan Toorop ist hier
^ kein Unbekannter mehr. Vorjahren bereits erregte
eine kleine Kollektion, die er im alten Künstlerhause
ausgestellt hatte, berechtigtes Aufsehen; so
umfassend und imposant wie momentan im Kunsthause
ist er uns jedoch noch nie entgegengetreten.
Toorop als Landschafter! Die ganze Intensität und
Stimmung einer farbensprühenden, leuchtenden Natur
- wir haben sie nie virtuoser, nie eindringlicher ausgeschöpft
gefunden, als in diesen an Rysselberghe
und Signac erinnernden, aus Punkten und kleinen
Strichen sich zusammensetzenden leuchtenden Impressionen
. Nie aber auch haben wirdie menschliche
Figur fester und natürlicher in einen in fast orientalischer
Farbenpracht prangenden Naturausschnitt
sich einfügen, mit ihm ein kompakteres unzertrennlicheres
Ganzes bilden sehen. Verraten schon diese
mit einer unerhörten technischen und koloristischen
Fertigkeit hingeworfenen Figuren („Ruhender Bauer",
„Der Holzfäller", „Im Schweiße des Angesichtes",
„Bei der Lektüre") den ungewöhnlichen Zeichner,
so gibt sich dieser in den Zeichnungen und Radierungen
, vor allem in der großartigen „Abendmahls"-
Studie mit ihren an Leonardo gemahnenden zeichnerisch
wie formal unübertrefflichen Apostelbüsten
als ein zeichnerisches Phänomen allerersten Ranges
zu erkennen, neben dem die Arbeiten der fünf Schweizer
, die mit ihm zusammen zur Ausstellung gelangten
, so bemerkenswert sie an sich auch sind, einen
schweren Stand haben. Der bedeutendste unter ihnen
ist trotz seiner oft konventionellen, akademischen
Art der 1908 verstorbene Genfer Leon Gaud, ein
Schüler Bartholemy Menns, von dem eine umfangreiche
Kollektion ungemein stimmungsvolle und delikate
Impressionen landschaftlichen und figürlichen
Charakters aufweist. Die Aarauer Otto Wyler und
Max Burgmeier sind in erster Linie Landschafter
und Stillebenmaler, als welche sie z. T. ebenso
stimmungsvolle wie tonfeine Arbeiten liefern, indes
ihr Landsmann Ernest Bolens nach dem Vorbild
Hodlers, dem auch jene tributpflichtig sind, Landschaften
, Stilleben und Porträtköpfe malt, von denen
eine frische Leuchtkraft ausgeht, die nur wenig derjenigen
nachsteht, die die farbenglühenden, sonnigen
und überaus saftigen Landschaften des Winterthurers
Jean Affeltrangfr so sehr auszeichnet.
Dr. s. Markus
PERSONAL-NACHRICHTEN
Ludwig Knaus f. Ohne vorherige Erkrankung
ist am 7. Dezember in Berlin im Alter
von 81 Jahren Professor Ludwig Knaus plötzlich
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