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DIE FRÜHJAHR AUSSTELLUNG DER MÜNCHNER „SECESSION"
steckt, und der glaubt, um diesen Preis aller
landschaftlichen Poesiehaftigkeit entraten zu
können. Kommt Pietzsch auch einmal bei
seinen schwedischen, korsischen und floren-
tinischen Landschaften hinter jene spezifischen
Konstruktionsschönheiten der Natur, die er im
heimischen Isartal so sicher erkannt hat, so
ist er vielleicht der monumentale Landschafter
von universeller Bedeutung, dessen wir schon
lange harren. Er wird dann sozusagen in der
Synthese das vereinigen, was lyrischere Naturen
wie Bauriedl, Schmid-Fichtelberg, Beda,
bilder (Abb. S. 361). Ich zweifle nicht, daß
Schramm-Zittau durch Claude-Monet und Pissarro
zu diesen Stadtbildern angeregt worden
ist, aber ich kann feststellen, daß er von ihren
eigenartigen Farbakkorden keinen übernahm;
höchstens in der pikanten Flimmerlichtbehandlung
haben sie ihn beeinflußt. Sieht man sich
das lebhaft bewegte Straßenbild Schramms auf
dieser Ausstellung an und hält man sich eines
von Pissarros Boulevard-Bildern vor, so wird
einem der fundamentale Gegensatz der Künstler
, der zugleich das Dokument für Schramms
JULIUS SEYLER
AUSZIEHENDE FISCHER
Frühjahr-Ausstellung der Münchner Secession
Lamm, Bürgers u. a. mehr analytisch uns vermitteln
. Ich schätze an Pietzsch, daß er diesen
monumentalen Zielen mit eigenen Kräften zustrebt
; man hat es leichter, wenn man wie
Marie Caspar-Filser sich der Farbenskala
eines berühmten Franzosen bedient und seine
Landschaft solchermaßen technisch konstruiert
, statt das in der Landschaft selbst gegebene
Farbenensemble als koloristischen Ausgangspunkt
zu nehmen. Aehnlich wie Pietzsch
verdient Schramm-Zittau seiner koloristischen
Selbständigkeit wegen ein Extrakompliment.
Er sieht und malt außerordentlich farbig, wie
früher sein Federvieh, so jetzt seine Stadt-
Selbständigkeit ist, ohne weiteres klar: hie
germanischer, hie romanischer Geist . . .
Vieler Einzelheiten, über die ich, diesen
gleich, ein paar Worte sagen möchte, kann
ich leider nur kurze Erwähnung tun, über
anderes, obschon von schöner Qualität, muß
ich ohne ein Wort hinweggehen, sollen diese
Anmerkungen nicht ein Kommentar zum Katalog
werden. Ulrich Hübner, Josse Goossens
(Abb. S. 374), dessen bestrickender Kolorismus
einen sofort gefangen nimmt, Max Slevogt, der
feine, kleine Aquarelle zeigt, der graziöse Karl
Walser, C. J. Maks, ein sehr geschickter und
geschmackvoller Holländer (Abb. S. 377), Josef
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