Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 23. Band.1910
Seite: 456
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NEUE KUNSTLITERATUR

eine starke koloristische Individualität ihren Weg
mit ruhiger stolzer Sicherheit gegangen, hier hat
wieder einmal einer der Berufensten das Licht aus
der Tiefe herausgeholt und den Raum von Jahr zu
Jahr mit einem immer prächtigeren Glänze der
Farben erleuchtet. Das Licht, das nun zunächst
mit zauberischem Schein auf seinen Bildern erglänzte
, war das silbern schimmernde Licht des
Mondes und unsere Ausstellung hat von solchen
Mondnachtstimmungen ganz herrliche Proben gezeigt
, unter denen der Ausblick aus einem Fenster
wohl die schönste war. Was dann die letzten zwölf
Jahre seines Lebens und seiner Kunst brachten,
seine bald von Licht und Sonne durchglühten, bald
von Schnee und Regen durchschauerten Szenen
aus der Welt der Eisenbahnen und Maschinenhallen,
so darf von ihnen wohl das Wort Maupassants
gelten von den Dingen, denen man eine neue Bedeutung
abgewinnen muß. Pleuer, der große Stimmungsmaler
, hat uns hier, wie der französische
Dichter verlangt, durch die Schilderung des Alltäglichen
in Erstaunen versetzt und derselbe „einseitige
", Pleuer hat zwischen diesen Arbeiten eine
große, von Tizianscher Farbenglut erfüllte „Heilige
Nacht", und ein in seiner Charakteristik und Malerei
des Raumes ganz einziges Bildnis geschaffen.
Ueber diesen Mann
sind die Akten noch
nicht geschlossen.

H. t.

NEUE KUNSTLITERATUR
Haendcke, Berthol
d.Kunstanalysen
aus neunzehn Jahrhunderten
. 2. verb.
und verm. Auflage.
Gebunden 10M. Verlag
von George Westermann
in Braunschweig
.

Haendckes Buch
ist — nach des Autors
eigener Mitteilung
— aus der Erkenntnis
hervorgegangen
, daß viele Laien
, vor ein Kunstwerk
gestellt,trotz eines genügenden
allgemeinen
kunsthistorischen
Wissens, nicht imstande
sind, die Absichten
, die den Künstler
bei Schaffung seines
Werkes beseelten,
auch nur annähernd
zu interpretieren. Die
Fähigkeit, ein Architekturwerk
, eine Statue
, ein Gemälde zu
analysieren, will
Haendcke durch Vorbild
und Beispiel bei
seinen Lesern erwecken
. Die Exempel,
dieer fürdiesenZweck franz barwik

ausgewählt hat, ver- Frühjahr-Ausstellung

teilen sich über neunzehn Jahrhunderte, von der
altchristlichen Basilika bis zum modernen Wohnhaus
, von der Malerei der Katakomben bis zu Lei-
stikow, von den Reliefs der Hildesheimer Domtüre
bis zu Lederers Hamburger Bismarck-Denkmal. Die
gewählten Beispiele sind zumeist sehr gut; aber es
bleiben natürlich auch hier Spezialwünsche unerfüllt
, Es hätte mich beispielsweise besonders erfreut
, Analysen Goyas, Van Goghs, Leibis, Uhdes,
des Hans von Marees zu finden, da gerade sie
dem Kunstanalytiker besonders saftigen Stoff abgeben
müßten. Hält man sich indessen an das,
was da ist, so kann man das Buch unbedingt empfehlen
. Es stehen ausgezeichnete Anmerkungen
darin, und zwar sowohl hinsichtlich der alten wie
der modernen Kunst; Sätze, die auch aus ihrem
Zusammenhang gelöst werden können, und dann
in aphoristischer Prägnanz als Kunstwahrheiten allgemeiner
Art ihre Geltung behalten.

Michel, Andre. Histoire de l'art. Tome IV:
La Renaissance. Premiere partie. Brosch. 15 Fr.
Librairie Armand Colin, Paris.

Michels „Geschichte der Kunst", ein sehr breites
und üppig angelegtes Werk, ist nun beim 7. Halbband
angelangt, der die Anfänge der Renaissance,

die Frührenaissance,
das Quattrocento und
das Cinquecento bis
auf Michelangelo behandelt
. Michel hat
auch bei diesem Bande
(wie bei den früheren
hier schon besprochenen
) einen Stab bewährter
Fachleute um
sich versammelt, unter
denen er seinen
Stoff aufteilte. Marcel
Reymond spricht über
die Architektur der
Renaissance, Jean de
Foville über die Medaillenkunst
, Andre
Perate über die Malerei
desausgehenden
Quattrocento und des
frühen Cinquecento,
er behandelt also Lio-
nardo, Signorelli, Pin-
turicchio, Raffael und
die Venezianer, deren
Geschichte über die
Bellini hinausbiszum
Tode Tizians betrachtet
wird. Michel selbst
hat einen geistvollen
Essay über die Plastik
der Renaissance beigesteuert
. — Bei solchen
Werken liegt indessen
mehr als auf
dem Text auf dem Abbildungsmaterial
der
Nachdruck. Dieses ist
sehr reich und bringt
auch manche weniger
häufig gesehene Ar-
kämpfender Steinbock beit, sofern sie cha-

des Wiener Hagenbundes rakteristisch ist.

Redaktionsschluß: 20. Mai 1911
Herausgeber: F. Schwartz.

Für die Redaktion verantwortlich: P. Kirchgraber.

Sämtlich in München

Ausgabe : 8. Juni 1911
Druck und Verlag von F. Bruckmann A.-G.


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