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DIE XXII. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION
MAX LIEBERMAN N
DER BARMHERZIGE SAMARITER
XXII. Ausstellung der Berliner Secession
Herren im zottigen Automobilpelz (Abb. S.465).
Eine Sonderstellung nimmt ein Bildnis des
Prinzregenten von Bayern ein, das den Fürsten
ohne allen höfischen Prunk als den greisen
Patriarchen zeigt, rührend wahr in seiner gütigen
Einfachheit; kleinere Bilder schildern Momente
aus dem privaten und dem repräsentativen Leben
des Regenten. Wir sehen ihn im Kreise seiner
Gäste auf der Terrasse der Amalienburg und folgen
ihm an den stillen Nymphenburger Schloßteich
, auf dessen Wasser im kühlen Gold des
Abendlichtes Enten und Schwäne zur Fütterung
dahergeschwommen kommen. Das Wohlwollen
des Fürsten hat dem Künstler die Teilnahme
an den Festen des Georgiritterordens ermöglicht
: von der Empore der Allerheiligenhofkirche
aus wohnt er dem Seelengottesdienst
für die verstorbenen Ritter bei und schildert
in tiefen, glühenden Farben den vollen Zusammenklang
dunkler Sammetdraperien mit
dem Rot-Gold der Röcke, dem Flammen der
Altarkerzen und dem bunten Leuchten der
Glasfenster, dann wieder stimmt er die glänzenden
Farben der Prunktafel, den Schimmer
der Uniformen, das Gleißen der Kronleuchter
und Tafelaufsätze, die Fluten der prachtvollen
blauen Ordensmäntel zu rauschenden Harmonien
zusammen. Slevogts Kunst stofflicher
Behandlung, sein Vermögen, die blendenden
Reize eines Seidenkleides und kostbaren
Schmuckes wiederzugeben, zeigt sich besonders
in seinen Damenbildnissen, von denen sich hier
einige schlagend gelungene Proben finden; die
Abbildung des Porträts einer jungen Geigerin
(S. 468) vermag wenigstens von der packend
lebendigen Charakterisierungskunst eine Vorstellung
zu geben. Landschaften und Blumenstücke
von bewundernswerter Leichtigkeit des
Arrangements, sprühend geistreich im Kolorit,
runden den Eindruck, den man an dieser Stelle
von Slevogts Kunst gewinnt, zu einem selten
ausgeglichenen, stolzen Ganzen.
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