Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 24. Band.1911
Seite: 51
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ERNST AUFSEESER-MÜNCHEN

FLOR-STICKEREIEN

Zeichnung zugleich reliefartig hervortritt und
doch wiederum von zartem Flor überschleiert
scheint. Wenn man's nicht gesehen hat, kann
man sich schwer vorstellen, wie fein und luftig
diese Stickereien wirken. "Wenn man sie betrachtet
, fällt einem frischgefallener Schnee
ein oder die köstlichen Spinnwebnetze, die
man, von kleinen Tautropfen durchperlt, zuweilen
im Wald, zwischen dunkle Tannen gespannt
, findet. So keusch ist dies Weiß in
Weiß, so frisch und zugleich so diskret, daß
man an gar keine bunte Stickerei denken mag,
wäre sie auch noch so schön und noch so
künstlerisch. Freilich muß diese Technik auch
im Dienst eines Zeichners stehen, dessen Einfachheit
so sympathisch wirkt, wie die von
Aufseeser. Er zeich-
netganz primitiv, wenn
man dies Wort, das
heutzutage meist nur
ein Vorwand für fadeste
Affektation ist, gebrauchenwill
, ganz einfach
und erzielt gerade so
Wirkungen von großer
Anschaulichkeit und
erlesene Stimmungsreize
. Der Zeichnung
wiederum kommt die
Technik der Florstik-
kerei zu Hilfe, die mit
ihren genadelten Narben
und Verschleierungen
ganz überraschende
Effekte gibt,
besonders wo es sich

um die Darstellung von Stoffen oder Bewegungen
handelt. Nicht selten liegt in diesen
Zeichnungen ein kleiner, feiner Humor, kein
grotesker und kein fratzenhafter, sondern jener
hübsche, deutsche Humor, der sich von fremden
Kulturen gerade das angeeignet hat, was
ihm von Hause aus fehlt, ohne deshalb die
deutsche Eigenart zu verlieren. Man betrachte
nur einmal Aufseesers „Pierrot und Kolombine
" und denke an die Fadaisen, die man
sonst unter diesem Titel vorgesetzt bekommt.
Das ist nicht der typische Pierrot lunaire, der
eigentlich aussieht wie ein hektischer Boule-
vardier. Das ist nur ein kantiger Tölpel, der
Mandoline zupft, und dem Kolombinchen voll
graziöser Kindlichkeit abwinkt. Man betrachte

die kargen Linien, mit
denen Kolombinchens
Toilette umrissen ist,
vergleiche ihr feingestreiftes
Kleid, ihren
abgezirkelten Hut,
ihren Schäferstab mit
der üblichen Aufmachung
der Kolombinen
und wird sofort merken
, wie weit und vorteilhaft
Aufseeser sich
von jeder Schablone
entfernt hat. Ganz
ähnlich hat er „Titania
und den Esel" aufgefaßt
. Das Grauchen
wirkt trotz seines Tierkopfes
eigentlich nur
wie ein garstiger, recht

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