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PROF. BRUNO PAUL-BERLIN □ DECKEN- UND WANDBELEUCHTUNG IM CAFE KERKAU
Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-G., Berlin
Ein Punkt endlich, auf dem gerade unser
deutsches Kunstgewerbe vom Orient lernen
kann, ist das Verständnis für das, was dem
Weiblichen angemessen ist. Der heutige Orient
hat in dieser Beziehung das Feingefühl verloren
und erstrebt derbe plumpe Wirkungen,
eben solche Wirkungen wie sie von manchen
auf der Münchener Ausstellung vermißt wurden.
Der alte Orient hat ein wunderbares Gefühl
für alles gehabt, was bestimmt ist, eine Frau
enger oder entfernter zu umgeben. In Europa
haben von jeher die Franzosen den Instinkt
hierfür besessen, das moderne deutsche Kunstgewerbe
hat bis jetzt in dieser Richtung nur
wenig Gutes geleistet. Unsere Spezialität sind
Einrichtungen für Arbeitsräume, Räume, die
für den Mann bestimmt sind, in denen das
Komfortable mit dem Praktischen verbunden ist,
während den Räumen der Frau, dem Salon
und dem Boudoir, oft der intime und diskrete
Reiz fehlt, der den Arbeiten der Franzosen
eigen ist. Auch die altorientalische Kunst
hat in ihrer Keramik und besonders in der
Textil- und Metallkunst diesen spezifisch weiblichen
Charakter in überaus feiner und vornehmer
Weise entwickelt und wird hierin mancherlei
Anregungen geben können.
Lassen sich so vielfache Vergleiche zwischen
dem orientalischen und dem heutigen Kunstgewerbe
ziehen, so liegt uns doch nichts ferner, als
schwächlicher Nachahmung das Wort zu reden.
Eine Befruchtung mit einem fremden Kunstgebiete
kann nur dann nützlich werden, wenn
wir in seine Schaffensart einzudringen vermögen
, nicht aber wenn wir die einzelnen
Werke ohne inneres Denken nachzubilden versuchen
.
Rudolf Meyer-Riefstahl (Paris)
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