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mosaikbild im vestibül
entwurf: julius diez
ausf.: s. th. rauecker,
solln b. münchen
DIE MÜNCHNER AUSSTELLUNG ANGEWANDTER KUNST
IN PARIS 1910
;m Grand Palais zu Paris, dem
großen zwischen dem Seine-Ufer
4 und den Champs Elysees liegen-
den Ausstellungspalast der französischen
Künstler wurde am
30. September im Anschluß an
die Vernissage und als ein Teil der Ausstellung
des französischen Herbstsalons eine
Münchner Ausstellung angewandter Kunst eröffnet
. In ihrer Zusammensetzung aus 18 Einzelräumen
erweckte diese Ausstellung der Münchner
Künstler den Eindruck der reich ausgestatteten
Privatwohnung eines Kunstfreundes.
Auch zwei Sammelräume fügten sich diesem
Bilde vorzüglich ein; jeder von ihnen durfte
als Muster dafür gelten, wie ein Liebhaber von
schönen Geweben, von Gläsern, Porzellan und
feinen Metallarbeiten sich eine Auswahl solcher
Erzeugnisse in geschmackvoller Weise zusammenstellen
könnte.
Diese Ausstellungsform hatte in München
im Jahre 1908 große Erfolge erzielt. Sie hatte
auch den Beifall französischer Künstler und
Kunstgewerbetreibender gefunden, die damals
die Münchner Ausstellung eingehend besichtigten
und lebhaft und wiederholt ihrer Ueber-
raschung darüber Ausdruck gaben, welch große
Fortschritte die moderne gewerbliche Entwicklung
in München gemacht hatte, wieviel Sicherheit
und Reife sich in der Durchbildung aller
Formen offenbarte, angefangen vom kleinsten
Einzelgegenstand bis zur architektonischen
Gliederung eines Wohnraumss oder Festsaales.
Im einzelnen bewunderten sie die natürliche
Behandlung der Materialien und die Gediegenheit
der technischen Ausführung.
Die Ursachen dieser Erfolge des Münchner
Gewerbes im Jahre 1908 sahen die französischen
Gäste vor allem in der Organisation des
gewerblichen Schulwesens in München, in
der Unterstützung des gewerblichen Bildungswesens
durch Staat und Gemeinde und in der
unmittelbaren Mitwirkung unabhängiger Künstler
in der handwerklichen und industriellen
Produktion. Der umsichtige Präsident des
Herbstsalons, Frantz Jourdain, gab damals
der Hoffnung Ausdruck, Münchens Künstler
und ihre Arbeiten bald einmal in Paris begrüßen
zu dürfen.
Als dann im Jahre 1909 die gleiche Gruppe
französischer Künstler, die vor wenigen Jahren
gegründete „Union provinciale des Arts de-
coratifs", ihren Jahreskongreß in Nancy abhielt
, war auch an die Stadt München eine
Einladung zur Entsendung eines Vertreters ergangen
. In Nancy stand die Erörterung des
französischen Lehrlingswesens im Vordergrund
der Verhandlungen. In allen Berichten wurde
München erwähnt und auf die große, über eine
fachliche Ausbildung hinausreichende Erziehungsarbeit
hingewiesen, welche die Münchner
Gewerbeschulen leisten. Daneben verlangten
die aufgestellten Forderungen praktische Ausbildung
in mustergültig arbeitenden Betrieben.
Dekorative Kunst, XIV. 3. Dezember 1910.
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