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FRITZ BEHN-MÜNCHEN
BRONZE: SÄBEL-ANTILOPE
MÜNCHEN UND DIE MODERNE BEWEGUNG
ünchen ist kein Boden, wo revolutionäre
Gesinnung gedeiht. Hier
ist die Gegenwart zu schön, das
Leben zu behaglich, als daß nicht
doch immer wieder der Optimismus
die Oberhand gewinnen
sollte. Nicht umsonst sehen die Radikalen unter
den Sozialdemokraten in diesem „Capua" die
größte Gefahr für ihre Partei.
Der Begriff „München" ist dabei nicht leicht
zu umgrenzen: es wäre ganz falsch, als die
Träger dieser Münchener Gesinnung die eingeborenen
Bajuwaren oder auch die Bayern im
weiteren Sinn, selbst die Gesamtheit der
Süddeutschen, die in München wohnen, anzunehmen
. Das Münchener Volk, das freilich
den Grundton abgibt für die eigenartige Färbung
des Münchener Lebens, schätzt seine Ruhe
und sein Vergnügen über alles und hat nie viel
übrig gehabt für neue, aufregende geistige Bewegungen
, ja es hat oftmals die Träger dieser
geistigen Bewegungen recht unfreundlich angelassen
: denn diese Träger kamen von auswärts
. In den geistig führenden Kreisen ist
die Zahl der eingeborenen Familien verhältnismäßig
sehr gering, und es überwiegen weitaus
die aus den übrigen Teilen Deutschlands, auch
aus Norddeutschland, eingewanderten. Und so
bietet München das interessante Bild einer
sehr stark originalen „bodenständigen" Kultur,
deren Träger den verschiedensten deutschen
Stämmen angehören, und man zweifelt oft,
ob es die von Natur „münchnerisch" Veranlagten
waren, die es von auswärts nach München zog,
oder ob die Atmosphäre Münchens jedem, der
ihr naht, einen eigenen Charakter gibt.
Und so stark ist dieser Charakter, daß ihn
auch die meisten derjenigen bewahren, die
wieder aus München hinausziehen, und die
so Münchener Art nach allen Teilen Deutschlands
tragen.
Auf dem Feld der Kunst ist das Schauspiel
besonders fesselnd. Denn hier steht dem angeborenen
Beharrungstrieb des Müncheners die
Lebhaftigkeit des künstlerischen Lebens entgegen
, die seit den Zeiten Ludwigs I. in München
nie mehr nachgelassen hat. So ist es dazu gekommen
, daß die revolutionäre Bewegung in
der Malerei, die, von Frankreich ausgehend,
über ganz Deutschland drang, in München
zuerst zu einem äußerlich programmatischen
Ausdruck kam: in München wurde die erste
„Secession" gegründet. — Wenn man aber
heute, nach etwa zwanzig Jahren, die Münchener
Secession mit der Berliner oder — noch merkwürdiger
, weil es sich um eine stammverwandte
Stadt handelt — mit der Wiener Secession
vergleicht, so bemerkt man sofort, daß die
Münchener Art über die eigentlich revolutionären
Tendenzen heute schon Herr geworden
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