http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_24_1911/0170
DIE GEWERBESCHULEN MÜNCHENS
Die ersten Könige Bayerns und ihre Nachfolger
bis in die Gegenwart haben so viel
für die Stadtentwicklung Münchens getan, und
mit so großartigen Mitteln dieser Entwicklung
Wege gebahnt, daß es für eine moderne Stadtverwaltung
nicht leicht ist, in gleichem Maße
weiterzubauen. Wer die Ludwigstraße in München
durchwandert und den kühnen Gedanken
nachzudenken versucht, der aus der Mitte
des alten kleinen Münchens diese Straße von
Palästen hinausgeführt hat bis ins Gartenland
und in den Bereich kleiner Vororthäuser, der
mag daran zweifeln, daß vielköpfige Körperschaften
jemals solche Werke entstehen lassen
können. Muß man doch annehmen, daß der
Vorzug der modernen Volksvertretungen, nämlich
die Vertretung vieler sich widerstrebender
Interessen, zugleich das Hindernis ist, an dem
Pläne von rücksichtsloser Größe scheitern
müssen, das keine Schöpfungen mehr entstehen
läßt, die ihren Ausgang nicht von Berechnungen,
sondern von kühnen Erwartungen nehmen.
Als eine verheißungsvolle Tat am Anfang
eines neuen Zeitabschnittes muß man deshalb
das Ereignis ansehen, daß ein auf demokratischer
Grundlage beruhendes Gemeinwesen
einem genialen Organisator ungewöhnliche
Mittel zur Verfügung stellt, um ihm die Verwirklichung
einer großen weittragenden Idee
ganz in seinem Sinne möglich zu machen. Das
geschah in München, als im Jahre 1900 die
beiden städtischen Kollegien einstimmig beschlossen
, die allgemeine Fortbildungsschule
nach jenen Prinzipien umzugestalten, die Dr.
Georg Kerschensteiner einst in seiner Preisschrift
„Die staatsbürgerliche Erziehung der
deutschen Jugend" niedergelegt hatte. Diese
Prinzipien verfolgen das Ziel, „die Volksmassen
zu einer Arbeitsgemeinschaft zu erziehen,
welche es versteht, die Rechte und Freiheiten,
die der demokratische Geist ihnen ausgehändigt
hat, zum Wohle der Gemeinsamkeit zu benutzen
, so daß sich mit dem wirtschaftlichen
Stande des Landes zugleich auch sein Rechts-
AUSSTELLUNG DER KGL. KUNSTGEWERBESCHULE: STEINARBEITEN DER KLASSEN WADERE UND PRUSKA
130
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_24_1911/0170