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DIE MÜNCHNER AUSSTELLUNG IM URTEIL DER PARISER PRESSE
Als Präsident Frantz Jourdain im Arbeitsausschuß
des Herbstsalons mitteilte, daß
die Münchner Künstler sich freudig bereit erklärten
, die Einladung zu einer Sonderausstellung
anzunehmen, hörte ich, der ich als Pariser
Delegierter den Komitee-Sitzungen des
Herbstsalons beiwohnte, das erste Echo, das
die Zusage der Münchner weckte. Ein liebenswürdiges
Bravo von allen Seiten war die Antwort
auf Jourdains Mitteilung. Die beiden
Vizepräsidenten George Desvallieres und Ca-
mille Lefevre unterstützten energisch Jourdains
Antrag, den Münchnern alle erdenklichen Erleichterungen
zu bieten; die Künstler Baig-
neres, Dethomas, Guerin, Le Beau, Hamm,
Manguin, Laprade, Massoul und Geo-Weiß
traten noch besonders dafür ein, daß der Herbstsalon
Gastrecht übe in so weitherziger und
großzügiger Weise, wie es ihm nur möglich
sei. Gemäß dem Uebereinkommen zwischen
München und Paris wurden alle Verhandlungen
in geheimen Sitzungen geführt, so daß
BERNHARD BLEEKER □ MARMORBÜSTE Dr. RIEZLER
über die Entwicklung des Projektes keinerlei
Mitteilungen in die Oeffentlichkeit gelangten.
Trotzdem aber war in den ersten Monaten
des Jahres 1910 der Plan in Pariser Künstlerkreisen
ein offenes Geheimnis, das mit neugierigem
Interesse besprochen wurde. Am
29. März, viele Wochen nachdem der Vertrag
auf beiden Seiten unterzeichnet war, erschien
als erste Presseäußerung ein anonymer Artikel
im „Matin" : „Das französische Kunstgewerbe
in Gefahr", „Eine deutsche Invasion", in dem
auf die Krisis im französischen Kunstgewerbe
hingewiesen und die Münchner Ausstellung als
eine ernste kommerzielle Gefahr hingestellt
wurde. Am 4. April nahm die „Action" dieses
Thema auf und schilderte die Krisis des Kunstgewerbes
: „Die deutsche Ausstellung wird in
brutaler Weise unsere Unterlegenheit erweisen.
Und das wird Gerechtigkeit sein; denn wir
haben jenen wahrhaft künstlerischen Erzeugnissen
, die keineswegs schwerfällig, oft von
vielfältigem und entzückendem Geschmack sind,
nichts gegenüberzustellen." Am 9. April brachte
die „Chronique des Arts" eine Voranzeige der
Ausstellung. Darauf gelangte das Projekt in
häufig recht entstellter Form in einige deutsche
Blätter. Am 20. Mai brachte „La reforme eco-
nomique" einen Alarmruf: „Die Ausstellung der
deutschen Künstler kann dem französischen
Kunstgewerbe das größte Unrecht zufügen, ja
selbst einen tötlichen Stoß versetzen." Am
1 O.Juni veröffentlichte „Pascal Forthuny" seine
frischen Eindrücke einer Münchner Reise und
beruhigte die interessierten französischen Kreise
dadurch, daß er die finanziellen Mittel, die den
Münchnern zur Verfügung standen, die von
Phantasten in Paris auf das fünf- und zehnfache
geschätzt waren, auf das richtige Maß
zurückführte und erklärte, daß die Münchner
keine kommerziellen Absichten verfolgten, sondern
nur einen friedlichen Ideenaustausch
suchten. Am 16. Juni folgte ein Artikel von
Louis Vauxcelles im „Gaulois" unter der Ueber-
schrift: „Eine nahende Invasion", in dem auf
die ernste Gefahr hingewiesen wird, daß Frankreich
von allen Nachbarländern überholt zu
werden droht. „Die bayerischen Kunstgewerbler
und Architekten zeichnen sich nicht durch Geschmack
aus, der ohne möglichen Widerspruch
im wesentlichen unsere Sache ist. Aber der
deutsche Korporalsgeist hat auch gute Seiten."
Im ähnlichen Sinne äußerte sich am 9. Juli die
„Gazette du Parlement". Am 20. Juli schrieb
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