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josef flossmann
Vauxcelles im „GilBlas": „Die
Ausstellung der Münchner Künstler
wird die sensationelle Attraktion
des nächsten Herbstsalons
werden . . . Alle Künstler und
Kritiker, die 1908 in München
waren, wissen, daß man uns erstaunliche
Innenräume zeigen
wird. Wie kann die Lektion,
die uns von unseren Nachbarn
gegeben wird, unseren Künstlern
nützen!"
Im August schwirrten noch
weiterhin mehr oder minder
zutreffende Gerüchte über unsere
Ausstellung durch die Pariser
Presse, die Anfang September
durch die Veröffentlichung
der Ausstellungsprogramme richtig
gestellt wurden. Ferner wirkten
die Artikel „Les lecons ar-
tistiques de l'etranger" von
Louis Vauxcelles im „Gaulois"
am 6. September, „Die angewandten
Künste in München"
von Otto Grautoff in „Paris-
Journal" und „Die künstleri-
bronze-figuren
sehen Beziehungen zwischen Paris und München
" von Otto Grautoff in der „Grande
Revue", beide am 10. September beruhigend
und aufklärend. Die Konkurrenzbefürchtungen
schwiegen. Die Pariser Presse bereitete sich
zu einem liebenswürdigen Empfang der Münchner
vor. Allen voran Octave Mans, der in
seiner Brüsseler Zeitschrift „L'art moderne"
einen interessanten Vergleich zwischen Frankreich
und Deutschland zugunsten Münchens
zog. Im „Figaro" schrieb Regis Gignoux den
Münchnern einen sympathischen Begrüßungsartikel
; ihm folgten „Le Siecle", „Paris-Journal
", "LeGil-Blas", „Comedia", „LeRadical",
„Le Voltaire", Zeitschriften wie „La Revue",
„Le Mercure de France", „La Phalange", und
in der zweiten Septemberhälfte die gesamte
französische Presse in dem gleichen freundlichen
Tone. Acht Tage vor Eröffnung der
Ausstellung veröffentlichte Clement-Janin einen
Artikel „Die Krisis der angewandten Kunst in
Frankreich" im „Siecle". „Welche Anstrengungen
und Opfer wir auch immer auf uns
nehmen werden, niemals werden wir den Vorsprung
Münchens in industrieller Hinsicht einholen
können." In diesem Sinne fährt dieser
ernste und gründliche Artikel fort, der den
Franzosen ins Gewissen redet. Am 29. September
gab Rupert Carabin im „Radical" seiner
Bewunderung über den Zeichenunterricht in den
Münchner Schulen Ausdruck.
Damit schließen die Presseäußerungen vor
der Eröffnung unserer Ausstellung, und wir
lassen nun eine Uebersicht der französischen
Preßstimmen folgen, die so objektiv wie möglich
ausgewählt wurden. Otto Grautoff
Figaro. Arsene Alexandre: „Eines der Ereignisse
des diesjährigen Salons, vielleicht das wichtigste, ist
die hervorragende Beteiligung der Münchner Künstler
, und es sei gleich gesagt, daß sie uns mit der
Erkenntnis des Verdienstes, das ihnen zukommt, zugleich
ein gewichtiges und nützliches Beispiel gegeben
haben. Sie sind wundervoll organisiert, diese
künstlerischen Dekorateure, die damit beschäftigt
waren, der Ausstellung ein musterhaftes Aussehen
und ihren einzelnen Teilen einen deutlich sichtbaren,
unangreifbaren Zusammenhang zu geben . . . Wenn
auch alle Räume, die man uns vorstellt, nicht gleich
glücklich sind, so sind sie doch ganz und gar so,
wie sie gedacht waren. Den Eingang zur Ausstellung
bildet ein großer, ovaler, schön proportionierter
Empfangsraum von überaus angenehm-milchfarbener
Tönung. Leider wird das Vergnügen dieses Anblickes
durch eine Reihe von Objekten gestört, deren unendliche
Schwerfälligkeit an die schlimmsten Tage
der Louis-Philippschen Aera erinnert. Es spricht
so etwas wie Mutwille und die Lust am Paradoxen
aus diesen Versuchen. Es ist, wie ich glaube, das
Prinzip dieser Dekorateure, in alten Wohnsitzen nach
möglichst anmutlosen Objeken zu fahnden und ihnen
mit dem besonderen Hinweis auf das gealterte Modell
und dem Trotz des Wettenden einen neuen Stil zu
geben. Was gilt's, scheinen diese Herren zu sagen,
daß wir daraus etwas zu machen vermögen? Und
sie machen in der Tat die Mißfälligkeit ihrer Modelle
durch den Wert des Materials und ihrer Hände Arbeit
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