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FR. GILDEMEISTER-BREMEN
AUS EINEM LANDGUT IN ST. MAGNUS
von praktischen Regeln an, die wir hier nicht
auszuplaudern brauchen. Gerade weil aber
der Gärtner so aus der praktischen Not des
periodischen Blühens und Verblühens eine Art
von ästhetischer Tugend zu machen wissen
muß, ist ein Garten nicht einfach in gleicher
Weise auf die Farbe hin zu komponieren, wie
etwa der Maler sein Bild daraufhin anlegt.
Und gewisse Mißerfolge von Gartenkünstlern
sind vielleicht daraus zu erklären, daß der
Künstler ein Maler und eben kein Gärtner war,
der ganz instinktiv bei allem, was er schafft,
mit dem Wechsel der Jahreszeiten rechnet.
Neben den stark farbigen Effekten der Blumen
steht aber dem Gartenkünstler noch eine reiche
Skala mehr toniger Werte zur Verfügung. Die
breiten Tonmassen der Bäume, Baumgruppen,
Baumwände bieten eine große Reihe von verschiedenen
Valeurs in Grün bis Blau, und dieser
Fond bildet die koloristische Konstante gegenüber
der Variablen jenes zarten Blumen-Farbenflors
. Laubhölzer und Nadelhölzer bilden
auch farbig getrennte Gruppen. Rhododendron
lassen sich wirksam zu den Füßen von Birken
und Kiefern pflanzen, und in den verschiedenen
Tannensorten steht ein zarter Uebergang von
Tannengrün zu Stahlblau zur Verfügung. Hochstämmige
Laubbäume werden mit Vorteil an
große Rasenflächen gepflanzt, weil sie unten
den Durchblick auf das Rasengrün freilassen.
So gefährlich aber wie eine extrem malerische
Behandlung des Gartens im oben angedeuteten
Sinne ist, so unvorteilhaft ist auch ein allzugegenständliches
Hineintragen der Architektur
in die Gartenkunst, wenn sie sich nicht im
wesentlichen auf die Plananlage beschränkt,
wenn der Baumeister massiges Steinwerk in die
Gärten hineinträgt und nicht mehr gärtnerisch,
sondern architektonisch empfundene Lattenzäune
und Riesenpergolen überall als hohe
Wände aufbaut. Je diskreter der Künstler mit
Pergolen und Bauwerk aller Art umgeht, statt
ihrer mit Hecken und idyllisch in sie eingefügten
weißen Holzpforten auszukommen sucht
und bewegliche weiße Gartenmöbel statt steinerner
Bänke in „lauschigen Grotten" verwendet
, um so besser, um so gärtnerischer
arbeitet er. Um so mehr wird dann auch eine
an der rechten Stelle angebrachte Gartentreppe,
eine Böschungsmauer oder sparsam verwendete
Plastik zu voller Wirkung kommen.
Gerade, daß Gildemeister Gärtner ist, hebt
seine Leistungen über das Niveau artistischer
Experimente hinaus. g. f. Hartlaub
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