Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 24. Band.1911
Seite: 338
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FABRIK DER „DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN FÜR HANDWERKSKUNST" IN HELLERAU: OSTSEITE

des gewachsenen Stoffes Gewalt antut, sieht
man heute vollkommen ab. Die Hölzer werden
statt dessen durch Eingraben in die Erde
völlig durchgraut, d. h. die Bodengase werden
teils durch Benutzung rein natürlicher Einflüsse
, teils durch künstliche Gaszusätze und
gewisse regulierende Umstände zu zweckmäßiger
Wirksamkeit gebracht. So erzielt man,
bei geeigneter Beschaffenheit des Bodens eine
Art durchgreifender Verwesung der leicht zer-
setzlichen Holzbestandteile: das dauernd Beständige
des Holzes wird in geläuterter, altersreifer
Beschaffenheit übrig gelassen, stumpf
angefärbt durch die humifizierten Anteile. Das
Verfahren, das Hans Wislicenus zuerst versucht
und ausgearbeitet hat, gibt den Hölzern
außer der wundervoll stumpfen Alterstönung
auch noch die besonders wertvolle Altersreife,
die man im Zustande der praktisch verwendbaren
Eigentümlichkeiten als „Bodengare" der
Hölzer kurz bezeichnen könnte. Es beruht
chemisch im wesentlichen auf einer Oxydationswirkung
der feuchten Bodenluft, die man
durch Zusatz gewisser Mengen von Kalk und
Ammoniaksalzen steigern kann. Am schönsten
verfärbt sich auf diese Weise die Eiche, von
den Nadelhölzern vor allem die Lärche und
amerikanische Koniferenhölzer, wie das Redwoodholz
, Zypressen- und Oregonkiefernholz.
Aber selbst unsere Birke, Fichte und einheimische
Kiefer verlieren dadurch rasch die nackte
Färbung des frisch geschnittenen Holzes und
gewinnen statt der meist unschönen Luft-
Licht-Vergilbung und Vergrauung die warmen,
vornehmen Alterstöne, die wir an alten Ver-
täfelungen in den Bauernstuben der Alpendörfer
bewundern. In den Möbeln von Karl
Bertsch, Adelbert Niemeyer und Richard Rie-
merschmid, die in diesem Heft abgebildet sind,
ist das vergraute Holz, dessen Herstellung

übrigens den Werkstätten durch Patent geschützt
ist, mehrfach mit verwendet worden.

Die „Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst
" sind das Herz der Gartenstadt Hellerau.
Von ihnen aus tritt das Blut der Kultur, die
dort in den Sandboden gepflanzt worden ist,
seinen Kreislauf an: ihre Arbeiter wohnen in
den Kleinhäusern, und die Kinder dieser Arbeiter
kehren vielfach als Schüler in die Lehrlingsschule
zurück, die dem Kunstgewerbe
neue Kraft und Begabungen zuführen soll.
Hier liegt der Keim zu einem Landerziehungsheim
; hier finden die Uebungen der Schule
für rhythmische Gymnastik des Genfers Jacques-
Dalcroze statt, bis diesem, von einer eigenen
Gesellschaft getragenen Unternehmen ein
neues, selbständiges Heim, droben am Hügel
über der Fabrik, erbaut sein wird. Die Gartenstadt
aber will ja nicht eine Ansiedlung von
Arbeitern sein, und sie ist das auch heute schon
keineswegs. Neben den Angestellten der Werkstätten
wohnen zahlreiche Arbeiter und Beamte
aus Dresden hier und bilden den Grundstamm
eines Gemeinwesens, dem, wenn nicht alle Anzeichen
trügen, der Stempel der Gesundheit
und inneren Freiheit aufgeprägt ist. Denn die
Gartenstadt ist ja, wie Hans von Berlepsch
einmal gesagt hat, keine Stadt, deren Häuser
und Häuschen, deren gut gepflegte Gärten und
Gärtchen, deren gut genährte Bewohner einem
bereits errungenen Wohlstand Ausdruck geben
sollen. Sie soll im Gegenteil den Zusammenschluß
von Kräften entwickeln, die vom Leben
durch ihre Leistungen etwas gewinnen, es geistig
und materiell nutzbringend gestalten wollen,
die also keineswegs die Hände in den Schoß
legen. Sie will dem Wesen arbeitender, strebender
Menschen entsprechen, die unter der
Annahme einer vernünftigeren Lebensführung,
als sie der weitaus größte Teil der Großstadt-

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