http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_24_1911/0419
Raumgedanken, der im Garten zum Ausdruck
kommen soll, zur Verwirklichung verhelfen.
Auf den ersten Blick mag es scheinen, als
sei in der Pflanzenausstattung des Guten etwas
zuviel getan, so daß die Gliederung im Bild
etwas weicher wirkt, als man nach dem Grundrisse
erwarten sollte, wodurch eine gewisse
Unruhe sich bemerkbar macht. Da mag man
zweierlei berücksichtigen. Zunächst ist Grossmann
Gärtner; er kennt die Entwicklung seiner
Pflanzen und arbeitet für die Zukunft. Die
wenigsten Gewächse lassen sich gleich in derjenigen
Form in den Garten bringen, die zur Erzielung
der vom Gartengestalter beabsichtigten
Wirkung erforderlich ist. Es müssen namentlich
die raumbildenden Massen erst nach
und nach in das richtige Verhältnis zu den
Flächen hineinwachsen. Solange herrschenaber
die übrigen Bestandteile, Blumenschmuck usw.
stärker vor, als beabsichtigt ist, und das gibt
naturgemäß eine gewisse Unruhe.
Außerdem liegt hier ein Hausgarten vor, der
nicht auf pathetische Feierlichkeit, sondern
auf behagliche Gemütlichkeit abgestimmt ist.
In ihn hat auch die Besitzerin manches hineingetragen
, insbesondere ihre Freude an Blumen
und immergrünen Gehölzen. Dadurch ist
eine Mannigfaltigkeit der Arten und Formen
zustande gekommen, die zu jeder Zeit des
Jahres den Sinnen Anregung und Abwechslung
bietet. Vielleicht verdankt auch der eigenartige
Laubengang aus Hänge-Weiden solchem
Sonderwunsche seine Entstehung. Von ihm
gilt ganz besonders, was ich vorhin über die
Notwendigkeit der Entwicklung und des Hineinwachsens
gesagt habe.
Die von dem Architekten G. von Mayenburg
herrührende Ausstattung des Gartens mit Kleinbauwerken
ist im einzelnen wie in der Gesamtanordnung
gut. Sie gibt in Verbindung
mit dem Wohnhause und dem achsenmäßig
aufgeteilten Gartengrundriß dem in seiner
Lebensfülle möglicherweise hier und da die
Schranken überschreitenden Pflanzenwerk Halt
und Rahmen. Zurzeit tritt wohl das helle
Lattenwerk noch etwas stark hervor, aber auch
das wird anders, wenn das heranwachsende
Gerank der Schlingsträucher Latten und Stein
übersponnen haben wird. Dann wird auch die
übrige Pflanzenausstattung ihre raumbildende
Wirkung ausüben, und der Garten, der heute
im unreifen Jugendzustande den oberflächlichen
Beschauer vielleicht nicht vollkommen
befriedigt, wird dann erst eigentlich erfüllen,
was sein Schöpfer und seine Besitzerin von
ihm erhoffen. Carl Heicke
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