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VASEN UND FRUCHTSCHALE 0 ENTWURF UND AUSFÜHRUNG: FRIEDRICH POLLAK (1), LUDWIG SCHMIDT (2)
UND ROBERT OBSIEGER (3) □ K. K. KUNSTGEWERBESCHULE, WIEN
das ornamentale Auskratzen des Grundes, durch
alle die farbigen Glasuren und den Ueberzug
TAFEL-DEKORATION AUS ROTEM TON; GRÜN UND
SCHWARZ GLASIERT □ ENTW. U. AUSF.: HELENA JOHN
mit Glanz-Gold und -Platin. Da Entwurf und
Ausführung immer von der Hand desselben
Schülers herrühren — die technische Chemie
lehren beratend die Professoren Adam und
Dr. Selch —, wird gerne die Unmittelbarkeit
gewahrt, also die Original-Keramik, ohne
Abformen, bevorzugt und mitunter auch roh
glasiert, weil durch das wiederholte Brennen
das Stück wohl etwas Vollendeteres, leicht
aber zugleich etwas Fabrikmäßiges erhält. Damit
soll aber nicht gesagt sein, daß die praktische
Rücksicht auf Massenerzeugung außer
acht gelassen wird. Karl M. Kuzmany
DAS FENSTER
■pvie Fensterarchitektur haben die Wiener Cottages
sehr schön ausgebildet. Gleich dem englischen
Landhaus nehmen sie statt der zwei schmalen ein
breites, großes Fenster und setzen es in die Mitte
der Wand, so daß links und rechts davon geräumige
Ecken entstehen. Die weite Glasfläche wird durch
das weiße Sprossenwerk, durch spielende Kreuz-
und Querteilung gegliedert. Und dieses Fenster sitzt
nun wirklich in einem breiten Holzrahmen und nicht
kahl in der Tapete. Es braucht keine kaschierende
Verkleidungen; es hat ausgebildete Pfosten und Gesims
. Es zerreißt nicht die Wand, sondern es ist eine
ornamentale Füllung. Wenn es mit Blumen bestellt
wird, die in dem weiß gerahmten Ausschnitt gleich
farbigen Vignetten stehen, dann ist dieses Fenster, in
seiner von keinen Tapeziererkünsten verdunkelten
Helle, eine wahrhaft zweckerfüllende Lichtquelle und
gleichzeitig in selbstverständlicher natürlicher Schönheit
ein lichter, heiterer, dekorativer Wandfries. Auch
das wieder ein Beweis der reinen Wiener Lehre.
(Aus: Felix Poppenberg, Das lebendige Kleid. Verlag: Erich Reiss,
Berlin)
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