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SCHMUCKPLATZE
>Aer älteste Typus des Platzes innerhalb
einer Stadt ist der Marktplatz
. Die Hauptverkehrsstraßen
, die gewöhnlich hier zusammentreffen
, münden derart,
daß sie den größeren Teil des
Platzes in Ruhe lassen. Bisweilen betonte
man, wie alte Abbildungen zeigen, die Scheidung
von Marktbezirk und Straßenzug noch
ausdrücklich, entweder durch eine verschiedene
Art der Pflasterung, eine Markierung lediglich
in der Fläche, oder durch steinerne, etwa
noch durch Ketten verbundene Grenzpfosten
oder hölzerne Barrieren.
Dieser Gegensatz zwischen einem für den
Aufenthalt von Menschen und Waren bestimmten
Teil und angrenzenden Bewegungszügen
fehlt bei dem zweiten Typus des Platzes,
dem Verkehrsplatz. Er dient ausschließlich
als bequeme Vermittlung zwischen mehreren
Straßen, die, von verschiedenen Richtungen
kommend, an einer Stelle sich schneiden.
Eine ruhige Zone gibt es hier nicht, doch können
diese sogenannten Sternplätze trotz der
nach allen Seiten ausstrahlenden Oeffnungen
eine gewisse Geschlossenheit, einen räumlichen
Charakter, bewahren: durch eine gleichmäßige
Gliederung der geschlossenen
Baukörper zwischen den
Straßen. Das lehren Beispiele
aus der klassischen
Zeit der Stadtbaukunst im
17. und 18. Jahrhundert. *)
Selbst ein heute von so starkem
Verkehr durchfluteter
Platz wie der Oxfordcircus
in London macht dank der
gleichartigen Fassadenbildung
zwischen den Straßenzugängen
architektonisch einen
ruhigen Eindruck, im
Gegensatz etwa zum Potsdamerplatz
in Berlin, der von
heterogenen Gebäuden umgeben
, ein trauriges Exem-
pel architektonischer Anarchie
darstellt.
Zu dem Markt- und
Verkehrsplatz gesellt sich
als jüngster Typus der
*) Vergl. die vortreffliche Abhandlung
von A. E. Brinck-
mann, „Platz und Monument".
Berlin 1908.
R.obsiegerq der fuchs und dietrau-
BENhK.K.KUNSTGEWERBESCHULE,WIEN
„Schmuckplatz". Frei vom Markttreiben und
vom Verkehr kaum berührt, wird er in den vornehmen
Wohnbezirken der Großstadt zwischen
den Häuserblocks ausgespart, um den Anwohnern
einen kleinen Ersatz zu gewähren für einen
eignen Garten, den auch der „erdenklichste
Komfort" der kostbarsten Mietetage nicht zu
bieten vermag. Es handelt sich also hier noch
weniger als beim Marktplatz um einen verbreiterten
Straßenzug, sondern um einen in sich
abgeschlossenen Raum. Die umschließenden
Gebäude geben nur in seltenen Fällen einen
hierfür günstigen Rahmen. Denn die Bauunternehmer
suchen jeder einzelnen Fassade ein
möglichst originelles Gesicht zu geben, und
nur wenige Architekten haben heute das Glück,
einen Platz einheitlich umbauen zu können.
Umsomehr muß durch die Gliederung des
Platzes selbst die räumliche Geschlossenheit
betont werden. Daß die Aufteilung und Be-
pflanzung eines solchen mit der Architektur
eng in Verbindung stehenden Platzes nach formalen
Prinzipien zu geschehen hat, davon
waren auch die Anhänger des Landschaftsgartens
im 18. Jahrhundert überzeugt. Erst
gegen Mitte des 19. Jahrhunderts trat gemeinsam
mit der Auflösung der künstlerischen Prinzipien
im Städtebau eine Ver-
wilderungein. Die öffentliche
„Schmuckanlage" stellte sich
als schön frisierte „Landschaft
" dar, durch die gewundene
Wege das verhältnismäßig
kleine Gebiet durchschlängelten
. Heute hat sich
der Geschmack der führenden
Architekten gewandelt.
Man sieht wieder ein, daß
es sich um die Gestaltung
eines Raumes handelt, der
wie die Privatgärten der alten
Patrizierhäuser als eine
Fortsetzung der Innenräume,
als eine Art sommerlicher
Festsaal, zu denken ist. Der
Effekt soll auf der Klarheit
der Gliederung beruhen und
darin, in den gegebenen Abmessungen
so zu disponieren
, daß ein möglichst großes
, einheitliches Raumbild
zustande kommt.
Zunächst mag man für
einen markanten Abschluß
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