http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_24_1911/0650
ARCH. THEODOR VEIL-MÜNCHEN
DAS PARK-KASINO IN MÜNCHEN
DAS PARK-KASINO IN MÜNCHEN
Die öffentlichen Gaststätten waren Jahrhunderte
hindurch von der allgemeinen
kunstgewerblichen Entwicklung ausgeschlossen.
Ihnen allen haftete etwas Spelunkenmäßiges
an, und es scheint fast, daß sich in der Vernachlässigung
schöner Gestaltung der Wirtsräume
die allgemeine Verachtung für sie ausgedrückt
habe. Sogar die behaglichen Holländer
, die uns auf ihren Genrebildchen entzückende
wohnliche Interieurs zeigen (wer
denkt nicht an den großen Delfter Meister
Vermeer, an Pieter de Hoogh!), tauchen ihren
Pinsel in trübes Grau, in mattes, unfrohes
Braun, wenn sie uns im Bild in einen Wirtsraum
führen. Brouwer, Teniers, Breughel,
Metsu — sie und verschiedene andere malen
das Wirtshaus als eine zwar malerische, aber
höchst ungastliche, unappetitliche Stätte, halb
Küche, halb Wohnraum, düster, unordentlich,
unsauber, eine Herberge lichtscheuen Gesindels
, betrunkener Tagediebe . . .
Die Entwicklung der materiellen Kultur hat
es mit sich gebracht, daß auch die Gaststätte
allgemach zum Objekt kunstgewerblichen Schaffens
wurde. Diese Räume, die der moderne
Arbeitsmensch, den sein Beruf mehr und mehr
vom behaglichen Familienverband loslöste, so
oft zu besuchen genötigt ist, wurden von einsichtigen
Unternehmern immer behaglicher, angenehmer
, reizvoller gestaltet. Sie sollten ein
wenig das eigene Heim vergessen lassen, sollten
zu längerem Verweilen locken. Zumal in
München, wo man gerne zecht in frohem
Freundeskreis, und wo man bei den echten
Eingebornen auch heute noch selten jene häusliche
Geselligkeit antrifft, die in Norddeutschland
und besonders bei den romanischen Völkern
gebräuchlich ist, hat man die Gasthäuser,
Weinstuben, Cafes immer reicher und teilweise
auch künstlerischer ausgestattet. „Ausgestattet
" — das kennzeichnet die erste Etappe
des kunstgewerblichen Vormarsches in die
öffentlichen Gaststätten. Es fehlte zunächst
noch der organische Zusammenhang zwischen
Architektur und Innendekoration. In einem
Raum, der baulich dazu gar nicht geeignet
war, montierte man eine Versailles-Imitation
ä la Herrenchiemsee. Ein Weinrestaurant mit
gotischer Fassade wurde im Innern rokokomäßig
ausstaffiert — an den störenden Spitzbogenfenstern
wurde einfach eine unehrliche
und doch nur schlecht bemäntelnde Draperie
angebracht . . .
Stilvoller wurden diese Bestrebungen erst,
als durch Georg Hirths Vorlagenwerk „Das
deutsche Zimmer" wirklich gediegene Anregungen
und eine Fülle von Motiven gegeben
worden waren. Nun wurden überall „Deutsche
Renaissance"-Wirtsstuben aufgetan. Täfelungen
und Schnitzereien, das angenehme Düster des
Dekorathre Kunst. XIV. 12. September 1911
561
71
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_24_1911/0650