Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 25. Band.1912
Seite: 300
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FRITZ KLIMSCH

BILDNISBÜSTE

WIENER AUSSTELLUNGEN

p\ie rührige Leitung des Hagenbundes hat dem
^Wiener Publikum durch eine Norwegische Ausstellung
ein bedeutendes Ereignis, fast eine Sensation
vermittelt; weit über die Einzelleistungen bekannter
und noch unbekannter Künstler wirkt der
einheitliche und geschlossene Gesamteindruck, um
den sich der treffliche Arrangeur der Ausstellung,
der Direktor der norwegischen Staatsgalerie Tijs
das größte Verdienst erworben hat. Eine frische
blühende Sinnlichkeit im Kampfe mit einer starken
und düsteren Geistigkeit, kraftvolles Sehen und
melancholisches Träumen, ein Wurzeln im nationalen
Boden und ein Streben nach den letzten Errungenschaften
der europäischen Gesamtentwicklung
— in solchen Gegensätzen, die so stark im
norwegischen Wesen und in der Kunstentwicklung
des vergangenen Jahrhunderts begründet sind, ist
der Charakter dieser Ausstellung gelegen, in der
der hohe Ernst alt und jung, Konservative und
Revolutionäre zu einer Einheit zusammenschließt.

Trotz des guten allgemeinen Durchschnitts dominiert
eine Gestalt unbedingt, Edvard Münch; seine
Bilder und Graphiken sind die bedeutendsten Werte
in der heutigen norwegischen Kunst und die Einflußsphäre
, die von ihnen ausgeht, reicht bis in die
Werke jener Jüngsten, die der modernen französischen
Entwicklung nahestehen. Münchs Erscheinung
ist nicht als reines kunstgeschichtliches Rechen-

exempel anzusehen, es bleibt ein ungelöster Rest
übrig; vollgesogen mit allen Problemen, die die
europäische Malerei des ausgehenden neunzehnten
Jahrhunderts beschäftigt haben, bleibt seine Persönlichkeit
einzigartig, rätselhaft, von dunkeln Mysterien
umschattet. Münchs geistige Seite fesselt zunächst
; seine Welt ist voll von Geheimnissen,
trüber Spuk treibt in ihr sein Wesen, dumpfes
Leben erfüllt die Dinge, düstere Melancholie, eine
atembeklemmende Stimmung weht aus diesen
Werken. Aber die Welt, die ein Mysterium ist,
bleibt dem Künstler ein sinnliches Erlebnis; die
Objekte sind nicht bloße Symbole, sondern sind in
Form und Farbe lebend geworden. Die Mittel,
jene starken Stimmungsakkorde anzuschlagen, sind
nicht Ideenassoziationen sondern Farbenkontraste
und abgewogenes Formenspiel; der Dichter bleibt
ein Maler und seine Werke Bilder. Münchs Vielseitigkeit
ist bewundernswert; eine große Komposition
(Herbst) mit wundervoll ausbalancierten
Gruppen von Menschen, die zu Typen geadelt sind,
zwei glänzende vollfigurige Bildnisse (Schlittgen
und Gierlöff), ein Selbstporträt im Restaurant, das
das Vermögen, eine an sich gleichgültige Umgebung
mit intensivem, aufregendem, enervierendem Leben
zu erfüllen, vielleicht am deutlichsten zeigt, Akte
und Landschaften, darunter eine blaustrahlende und
feierlich tönende, ausgestirnte Nacht; dazu ein
graphisches Oeuvre, das Schieflers vor ein paar
Jahren herausgegebenen kritischen Katalog weit zu-

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