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DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN ROM
SP
julius seyler
blick auf svolvaer (lofoten)
Mit Genehmigung der Modernen Galerie H. Thannhauser, München
DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG
IN ROM
Cchwächer als sonst ist die Internationale Kunst-
^ ausstellung in Rom ausgefallen, zieht doch ihre
starke Konkurrentin Venedig so ziemlich alles Gute
an sich. Das römische Publikum erwärmt sich
auch nicht für moderne Kunst, und ohne irgend
einen Clou zu haben, vermag die Ausstellung das
allgemeine Interesse kaum zu fesseln. Halb vergessen
schleppt sie mehr ein Scheindasein hin.
Und doch enthält sie eine Anzahl guter, wenn nicht
direkt hervorragender Werke. Leider hat eine
Reihe bedeutender Künstler wie Noci, Balla, Inno-
centi usw. ihre Arbeiten nicht ausgestellt, und zwar
als Einspruch gegen eine neue Statutsklausel, die
freilich etwas eigentümlich lautet: „Die Mitglieder
der Societä Amatori e Cultori di Belle Arti, die
entweder in drei internationalen Ausstellungen, oder
in fünf großen nationalen Ausstellungen, oder in
fünf nationalen und internationalen Ausstellungen
Werke ausgestellt, oder die in Italien oder im Ausland
Ehrenauszeichnungen erhalten, oder die ein
Werk in einer Nationalgalerie Italiens oder des
Auslands hängen haben, besitzen das Recht, für
jede Abteilung der Ausstellung ein Werk einzureichen
, ohne dem Urteil der Jury zu unterliegen."
Satzungen, die manches Gute haben mögen, aber
dem Kitsch Tür und Tor öffnen. Denn welcher
Künstler hätte nicht schon fünfmal ausgestellt!
Besonderes Interesse wendet sich heuer der deutschen
Malerei zu, die spärlich genug vertreten ist.
| Obwohl ihr diesmal der Müllerpreis zufällt — oder
y zufallen sollte.
Am meisten fesselt Jülich mit dekorativ gehal-
zu den Hauptwerken des Industriebildes zu rechnen,
aber auch sein Interieur „Eisenwalzwerk", für Herrn
Kommerzienrat Eisner in Berlin gemalt, ist mit
seinem schweren, tragischen Blau von imposanter
Wirkung. Meunier ist nicht nur mit plastischen
Werken, sondern auch mit Oelbildern vertreten,
während von Menzel die kostbaren Studien zum
Eisenwalzwerk gezeigt werden und die bekannte
Adresse zum Jubiläum der Firma Heckmann, Leihgaben
der Berliner Nationalgalerie. Als Pendant sieht
man die rein graphische und doch monumentale
Adresse, die Peter Behrens für Geheimrat Rathenau
geschaffen hat. Wenn in unserer Ausstellung
endlich kein Meister so umfangreich dargestellt ist,
als der heimgegangene Pleuer, den neben zahlreichen
Studien fünfzehn Oelbilder vertreten, so
hat das seinen Grund darin, daß in seiner Kunst
die verschiedenen Auffassungen des Problems, das
Industriemotiv als Landschaft, als Interieur, als Arbeiterbild
zusammenlaufen. Unter der aus 285 Nummern
bestehenden Bilderschau dürften sein „Ausfahrender
Zug", aus dem Besitz des Herrn W. Sigel
in Stuttgart, mit dem grandiosen Rhythmus der
Leidenschaft, und das tragische Bild der „Kohlenarbeiter
" aus dem Besitz des Barons von König-
Fachsenfeld die stärksten Stücke sein. Unvergeßlich
ist auf dem letzten Bilde der Rhythmus der
Getragenheit, der langsame und unerbittliche Rhyth-
mus,der seit Jahrtausenden die Schultern der Menschheit
beugt und hebt, der den Genossen dem Genossen
gleichmacht, sie alle nur Glieder der verhängnisschweren
Kette. GOSEBRUCH
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