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RICHARD MULLER
DIE GEGNER (ZEICHNUNG)
Große Kunstausstellung Dresden 1912
DIE GROSSE KUNSTAUSSTELLUNG DRESDEN 1912
I. ALLGEMEINE AUSSTELLUNG
von Paul Schumann
W
ährend die Abteilung für monumental-
dekorative Kunst in Dresden, deren Besprechung
noch folgen soll, eine große allgemeine
Bedeutung hat, kommt die allgemeine
Abteilung wesentlich für Dresden in
Betracht, da ja die übrigen deutschen Kunststädte
zumeist schon von ihren eigenen Ausstellungen
her bekannte Kunstwerke auszustellen
pflegen. Indes in Dresden sieht man doch
auch altes Bekanntes wieder in neuer Beleuchtung
, denn die Kunst des Ausstellens
und Anordnens, die Kunst, ein organisches Ganzes
in einer Ausstellung zu geben, einen harmonisch
erfreulichen, künstlerisch bedeutsamen
Gesamteindruck zu geben, ist wohl nirgends in
deutschen Kunststädten so entwickeltundausge-
bildetwie in Dresden, seitdem Gotthardt Kuehl
hier die Ausstellungen leitet. Als eine beson-
3 ders interessante Abteilung ist zunächst eine
~ kleine Sammlung von 45 Frauenbildnissen
zu nennen, die der Dresdner Galerie-Direktor
Dr. Posse zusammengebracht hat. Von Graff,
Kolbe, Tischbein und der Marie Vigee-
Lebrun an sehen wir hervorragende und
interessante Leistungen der Bildniskunst bis
auf Besnard, Corinth, Habermann, Klimt,
Trübner und Zorn. Besonders bemerkenswert
sind zwei Leibls aus Berliner Besitz,
zwei Manets aus Dresdner und Berliner
Besitz, ein Corot (liegende Frau mit gelbem
Aermel) und ein ganz vereinzelt dastehender
Stauffer-Bern, ein Jugendbildnis, das er
bei vorübergehendem Aufenthalt in Dresden
in großer Not gemalt hat. Auch Winterhalter
, Angeli, Schrotzberg, Vogel von
Vogelstein, Waldmüller und Makart sind
— zum Teil überraschend gut — vertreten.
Die übrigen Säle sind wie üblich nach
Städten angeordnet. Da diese Säle meist gleich
groß sind und die Zahl der aufgestellten Gemälde
nicht wesentlich voneinander abweicht,er-
geben sich wohlvergleichbare charakteristisch
verschiedene Gesamtbilder, die da zeigen, wie
doch im ganzen eine jede Stadt in ihrer Kunst
ein bestimmtes Gepräge hat: die derbere
Berliner Kunst unterscheidet sich z. B. ganz
wesentlich von der verfeinerten Wiener; auch
ist der Wiener Saal mit feinstem Geschmack
angeordnet, während im Saal der Berliner
Secession die ungeschickte Anordnung die
Wirkung stark beeinträchtigt.
Besonders bemerkenswert ist die Ausstellung
der Dresdner, die naturgemäß große Anstrengungen
gemacht haben, einen günstigen
Eindruck zu machen. Gotthardt Kuehl
hat in einem besonderen Räume ändert-
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Die Kunst für Alle XXVII. 22. 15. August 1912
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