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PROF. JOSEF WACKERLE
inneren Ausstattung zur Geltung. Die einzelnen
Räume legen ein Zeugnis ab für das
reiche Wollen und Können unserer Tage. Alles
atmet einfache Vornehmheit und Ruhe. Ueberall
herrscht Gesetzmäßigkeit und Vollendung. Aus
den Jahren des Werdens sind Jahre der Reife
geworden.
Das Wertvollste der Arbeiten liegt in ihrer
großen Entwicklungsmöglichkeit. Bruno Paul
ging zunächst gleichsam auf die Urformen, die
typischen Bestandteile der Möbelkunst zurück,
um sie allmählich weiter zu entwickein. Sein
Verdienst liegt in der Bekämpfung der heutigen
Unkultur des Wohnens durch Befruchtung
des Handwerkes mit neuen, künstlerischen
Elementen.
Eine starke, künstlerische Belebung erfuhren
seine Arbeiten durch die Mithilfe von Professor
Wackerle, der auch im Hause Feinhals reizvolle
, plastische Werke geschaffen hat. Gleich
die Tür des Hauseinganges trägt Kleinbronzen
seiner Hand, Vasen mit Weinlaub, Seepferdchen
, Hirsche, Löwen, ein Auftakt für den
Gast und Besucher. Auch in der Diele
stammen die Holzschnitzereien in schwarzem
Birnbaumholz mit Früchten und Rosetten in
Volutenumrahmung, der Kamin aus Muschelkalkstein
mit Früchten und Girlanden von
Wackerle, Arbeiten, die vollwertig den Prachtstücken
alter Zeit an die Seite treten.
Vor der Diele liegen Vestibül und Garderobe.
Die Diele selbst ist von Bruno Paul, rings
umher eine Vertäfelung aus Palisander mit
schwarzem Birnbaum, in klarer Gliederung
hochaufstrebender Pfeiler mit fein gezeichneten
BRONZE FÜLLUNG EN DER HAUSTUR
Kapitälen ernst und dunkel, nur der Kamin
als Mittelpunkt der Geselligkeit leuchtet heraus.
Ein farbenfreudiger Teppich von E. R. Weiß
heitert das Ganze auf, wie eine Blumenwiese
im Frühling. Die leichte, weiße Kassettendecke
vereint diese heiteren und ernsten Gegensätze
aufs glücklichste. Die Möbel entsprechen
diesem Charakter. Großväterliche Sessel mit
hoher Lehne, Stühle englischer Nuancierung,
ein gut gepolstertes Sitzmöbel, geben der
Stimmung die selbstverständliche Behaglichkeit
altrheinischer Kultur. Delfter Fayencen, ein
Fries aus bunt bedrucktem Blumenkattun
wirken als exotisches Moment novellistischer
Art. So ist die Diele in ihrem Charakter ernst
und heiter zugleich, ein Raum, wie man ihn
für ein geselliges Zusammensein nur wünschen
kann. In der Diele, als dem Mittelpunkt des
Hauses, wird die Chronik seiner Entstehung
auf dem Kamin in Stein gemeißelt:
„Dies Haus ist das letzte Werk Joseph
M. Olbrichs. Bauherr und Baumeister
schufen es als ein Zeugnis ihrer künstlerischen
Sehnsucht inmitten einer anders
gesinnten Zeit und als einen Gruß an die
Späteren. Der Meister starb vor der Ausführung
des Baues. Bruno Paul vollendete
das Werk nach Olbrichs Plänen und schuf
die innere Ausstattung. Max Läuger
pflanzte den Garten. Der Grundstein
wurde gelegt am 19. August 1908. Vollendetwurde
das Haus zu Ende des Jahres
1909. Am 1. April 1910 bezog es der
Bauherr Joseph Feinhals und seine Frau
Maria, geborene Holstein."
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