Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 26. Band.1912
Seite: 140
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AUGUST UNGER BLEIVERGLASUNG

Ausführung : Gottfried Heinersdorff, Berlin

schaftliche Gründe. Des weiteren kommt dieser
Ruf aus den Reihen der Käufer; er ist hier entweder
ein Ausfluß von nur oberflächlichem
Schönheitssinn oder von historischer Gewöhnung
. „Das Einfache entspricht nicht unserem
Geschmack" heißt es da.*)

Die Gründe dieser beiden Rufer allein dürften
für eine Aenderung nicht ganz maßgebend
sein, aber es kommt noch etwas anderes hinzu.

Auch in dem Fühlen der Künstler reift
etwas heran, das, bei Lichte besehen, einem
wachsenden Schmuckbedürfnis gleichkommt.
Der Grund hierzu ist beim Einzelnen in einer
Weiterentwicklung seines schöpferischen
Gestaltens zu suchen, und hierin liegt
doch eine ernste Notwendigkeit der Prüfung.

Die moderne Bewegung setzte bekanntlich
damit ein, eine neue Ornamentik schaffen zu
wollen. Man sah aber bald ein, daß dies ein
falsches Beginnen war. Wie erst Wasser und
Luft da sein mußte, bevor Fische und Vögel
möglich waren, so müssen auch unsere Gebilde
erst zweckmäßig und schön sein an sich,
bevor wir sie ornamental beleben.

Das war eben auch der Fehler der letzten
Stilnachahmungen, daß sie meist vom Ornamentalen
ausgingen und nicht da einsetzten,
wo die früheren Stilschöpfer anfingen: bei
der Formgebung an sich. Daß diese Formgebung
an sich das Erste und Notwendigste
ist, wird heute auf allen Gebieten immer klarer.

Aber bevor wir darin sattelfest sind, kommt
nun bereits der „Schrei nach dem Ornament",
der Ruf nach mehr Schmuck. Das führt nun zu
der Frage: muß „Schmuck" ohne weiteres
„Ornament" sein? — Nein!

Der erste Schmuck eines Gebäudes ist eine
gute Massenverteilung, eine schöne Gliederung;
Profile, Gesimse, Lisenen sind bereits Schmuckmittel
und genügen vielfach ohne jede ornamentale
Zugabe. Aehnlich ist es bei den
Möbeln. Wer bei alten Stücken beobachtet
hat, wie z. B. die Füllung allein, von einfacher,
flacher, bis zu vielfacher, reich profilierter Anwendung
, schon starken Schmuckwirkungen
genügen kann, denkt bei Schmuck nicht gleich
an Ornament. Ebenso gibt es bei Metall,
Keramik usw. Schmuckmöglichkeiten, welche
nur der Technik und dem Werkzeug entspringen.
Eine Zusammenfassung all dieser Arten von
Schmuck wäre ein sehr begrüßenswertes Unternehmen
.

Soll die Weiterentwicklung unseres schöpferischen
Gestaltens nicht einen unnatürlichen
Sprung machen, müssen wir erst einmal diesen
sozusagen ornamentlosen Schmuck pflegen.

*) Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen,
Verziertes aber spricht der Menge zu. (Goethe)

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