http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_27_1913/0169
I
6)
R. JETTMAR
UNHEIMLICHER ORT. R A D I E R U N G (1899)
RUDOLF JETTMAR
Von Arpad Weixlgärtner
Unter den deutsch-österreichischen Malern
unserer Tage gibt es nicht allzu viele,
deren künstlerische Eigenart so mächtig wäre,
daß sie auch außerhalb der schwarzgelben
Grenzpfähle das Urteil der Kunstverständigen
in Bann schlüge. Das möge nicht mißverstanden
werden: an tüchtigen Malern, die auch
der Anerkennung des Auslandes
sicher sein dürfen, gebricht es
Deutsch-Oesterreich natürlich
nicht, bloß der originellen Persönlichkeiten
, der kraftvollen
Individualitäten, die die unverrückbaren
Grundzüge liefern,
aus denen sich die Nachwelt das
Bild einer Epoche zusammenstellt
, sind derzeit — wie übrigens
auch anderswo — an der
Donau nur wenige. Zu diesen
wenigen gehört unstreitig Rudolf
Jettmar.
Rascher und besser, als es
Worte vermöchten, machen die
beigegebenen datierten Abbildungen
mit Jettmars Kunst vertraut
. Sie mögen aber auch zur
Kontrolle für den nachfolgenden Versuch dienen
, das Wesentliche dieser Kunst herauszuheben
und zusammenzufassen.
An jeder künstlerischen Produktion ist sowohl
die Phantasie als auch die Naturnachahmung
beteiligt. Der eingefleischteste und
folgerechteste Naturalist kann nicht völlig ohne
die „seltsame Tochter Jovis"
auskommen und auch der scheinbar
nur aus seiner eigenen
Traumwelt heraus schaffende
Künstler braucht die Natur als
Grundlage. Jettmar aber ist
zweifellos einer von denjenigen
Künstlern, bei welchen die Einbildungskraft
die Naturnachahmung
weitaus überwiegt, er
will und muß mehr Erfinder als
Nachbildner sein. Unter den
von ihm geschaffenen Gebilden
steht wie in der Kunst der Antike
und der Renaissance der
Mensch im Vordergrund. Mächtige
Gestalten sind es, denen
sein Pinsel Leben verleiht, J unge
und Alte, Männer, Weiber und
RUDOLF JETTMAR
Die Kunst für Alle XXVIII. 6. 15. Dezember 191z
121
16
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_27_1913/0169