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ARCH. BRUNO PAUL-BERLIN
HEILANSTALT PÜTZCHEN: BLICK AUF DIE NEUBAUTEN
DIE HEILANSTALT PÜTZCHEN BEI BONN
Immer waren es nur wenige, die das künstlerische
und geistige Leben einer Zeit
bestimmten und zur klaren Gestaltung brachten
. Die Zeiten folgten diesen wenigen, verbreiteten
die kulturellen und künstlerischen
Ideen und durchgeistigten die träge Masse.
So entstanden die großen Anschauungen der
Vergangenheit, wie wir sie heute sehen, in
der Reinheit ihrer Stile, in klarer Geistigkeit,
sie alle nur von wenigen geschaffen. Und
was von den wenigen blieb, war alles, was
die Zeit bewegte und leisten konnte. Das
übrige ist namenlos verschwunden. Auch heute
leisten nur wenige die eigentliche Arbeit unserer
Zeit, trotz der vielen,
allzuvielen, die sich mit
künstlerischen Dingen abgeben
, trotz der künstlerischen
Erziehung, die freigebig
verschwendet wird.
Es herrscht heute eine
Sucht der künstlerischen
Massenerziehung. Sobald
ein Künstler durch ein bedeutsameres
Schaffen sich
bemerkbar macht, wird er
als Lehrkraft herangezogen
und dem trockenen
Schema eines Lehrkörpers
einverleibt. Seine beste
Zeit geht dahin in einer
sehr problematischen und
meist unfruchtbaren Lehrtätigkeit
. Im besten Falle
ist der Erfolg, daß seine
ursprüngliche künstlerische
Originalität kopiert
und verbreitet, jedoch das
eigentliche Wertvolle sei-
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GEDACHTNISTAFEL0 ORNAMENTIK VON J.WACKERLE
ner Individualität verwischt wird. Man lasse
den Künstlern, wenn sie einmal an Schulen berufen
werden müssen, denkbar große Freiheit
und erziehe nur wenige veranlagte Schüler.
Man bilde mehr Handwerker aus, richte vor
allem Werkstätten ein, wo in ehrlicher, alter
Technik ausgeführt wird, was von den wenigen
geschaffen ist. Heute hat man es endlich aufgegeben
, unsere Handwerker zu Künstlern zu
machen. Dazu gehört vor allem eine tiefe Bildung
, die nur wenige besitzen. Es kommt vor,
daß unter den alten Handwerkern ein Künstler
dieser Art ist, aber dann wird seine Arbeit nie
handwerklich, sondern wirklich künstlerisch
bestimmend wirken. So
ist es zu allen Zeiten gewesen
. Die künstlerische
und geistige Anregung weniger
ist von den anderen
innerhalb der Werkstatt
weiterverarbeitet und in
eine bleibende Form gebracht
worden. Nur im
heutigen Deutschland arbeiten
wir anders, langwierig
und unendlich umständlich
. Immer noch sind wir
bei der erzieherischen Arbeit
. Auf allen möglichen
Tagungen werden seit einem
Menschenalter Reden
über Reden gehalten von
zweckmäßiger Schönheit
und all den Dingen, die
nicht mehranzuhörensind;
aber nur wenig Gutes ist
bei dieser werktätigen Arbeitherausgekommen
. Das
wenige, was wir heute an
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Dekorative Kunst. XVI. 4. Januar 1913
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