Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 28. Band.1913
Seite: 285
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FERDINAND STAEGER-MUNCHEN

EIN SCHUMANN-LIED

FERDINAND STAEGER

Das neu erwachte Interesse für die Graphik
ist vielleicht auch darauf zurückzuführen,
daß in der modernen Malerei fast lauter technische
Probleme auf dem Programm stehen.
Alles, was in das Gebiet des Ausdruckskunstwerkes
gehört, ist beinahe in Mißkredit gekommen
und wird als „Literatur" mit Geringschätzung
betrachtet. Doch es ist zweifellos
in sehr vielen Künstlern das starke Bedürfnis
vorhanden, in Farben und Linien ein wenig
mehr zu geben als eben Farben und Linien.
Und dieses tief gewurzelte Bedürfnis hat sich
nun auf dem Gebiet der Graphik ausgelebt.
Es hat schon Dürer und Rembrandt gelockt
und in unseren Tagen Klinger, Thoma, Legros
und manche andere dazu angetrieben, ihre obdachlos
gewordene Phantasie hier nach Herzenslust
sich ergehen zu lassen. Die Graphik
ist eine echt romantische Kunst und bietet gerade
den nachdenklichen Menschen, den ringenden
Geistern, welche sich das Leben nie leicht
gemacht haben, heimliche Schatten und Schlupfwinkel
, wo sie ihr zartestes Fühlen und ihr
stärkstes Erleben ungescheut aussprechen dürfen
. Da finden sich alle die Dichter zusammen
, die sozusagen neben der Welt einhergehen
, weil sie sich eine neue, ganz persönliche
geschaffen haben; sonderbare Gottsucher,
welche in glücklichen und schmerzlichen Visionen
atmen und weben — pathetische, idyllische,
tragische und satirische Temperamente.

Als solch ein echter Graphiker — wenn er
auch gelegentlich als Maler tätig ist — muß
Ferdinand Staeger angesehen werden, ein
Deutsch-Mährer, der gegenwärtig in München
lebt. Man kann bei ihm nicht recht von einer
einzigen, ganz charakteristischen Grundstimmung
sprechen, er umfaßt so ziemlich alle
Register der Romantik. In seinem Gemälde
„Das stille Tal" hat er das verzauberte Märchenschweigen
eines einsamen Erdenwinkels
festgehalten: neugierig beugt sich der Wald über
einen kleinen See, um sich darin zu spiegeln,
und drei Flügelrosse schleppen ihre breiten,
weit ausgreifenden Schwingen in süßer Lässigkeit
neben sich her. Alles ist mit der unbeirrbaren
Notwendigkeit großer Märchenerzähler
geschildert und scheint wie selbstverständlich
aus der Stimmung der Landschaft entwickelt
. Oft genug aber wird er pessimistisch,
wenn etwa wilde und rohe Horden in den sorgsam
gehüteten und gepflegten Garten seiner
Träume einbrechen, und immer dann, wenn er
seine empfindliche, reizbare, im Innersten rastlos
strebende aber doch ewig unbefriedigte
Künstlerseele in Gegensatz stellen will zur
satten, selbstgewissen und hohlköpfigen Philisterexistenz
. Von da aus gelingt ihm auch
der Uebergang zum Satirischen: oft und oft
hat er das Thema vom totgehetzten Pegasus
behandelt, bald mehr bald minder sarkastisch.
Doch lieber überläßt er sich fessellos, ohne

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